ANTON KRUPICKA: EIN ABSCHIEDSGRUSS AN DEN WINTER Laut dem Sprichwort soll es bei einer Fahrt um die Reise und nicht um den Bestimmungsort gehen. Allerdings erwies sich mit den Spuren des winterlichen Schneefalls, der immer noch das für Boulder typische Flatirons-Massiv bedeckt, eine Übernachtungstour zu den örtlichen heißen Quellen sowohl als willkommene Reise als auch als willkommener Bestimmungsort. Für meinen Partner, Anton Krupicka und mich bot diese Reise eine Radsporttour für zwei längere Tage, um die Beine für die bevorstehenden Anforderungen der Touren im Frühling und Sommer wieder in Schwung zu bekommen. Die auf das Wochenende verteilten Abschnitte unserer Rundreise von 233 km (145 Meilen) umfassten eine gehörige Anzahl an Anstiegen (5000 m /16000ft). Ausgehend von unserer Türschwelle in Boulder Colorado brachen wir zu der einstigen Goldgräberstadt Idaho Springs auf. Unser Zielort, eine kleine heiße Quelle in einem idyllischen historischen Hotel, bot jede Menge Motivation, um mutig höhere Anstiege anzugehen und zwei volle aufeinanderfolgende Tage auf dem Rad durchzuhalten. Die Route begann mit schönen ländlichen Meilen, die uns auf den zugänglichen Gravel-Wegen aus Boulder herausführten. Auf diesen Wegen herrschte wenig Verkehr, und sie sind eines der größten Geschenke für Radsportler in dieser Gegend. Die Bergausläufer, die im Westen an Boulder angrenzen, setzten sich zur Front Range zusammen und werden von Canyons unterschiedlicher Anspruchsklassen durchzogen. Auch wenn er der längste ständige Anstieg ist, bietet der Lefthand Canyon einen der bescheidensten Steigungsgrade, dessen durchschnittliche 4 % sich über die gesamten 29 km (18 Meilen) erstrecken, die man bezwingen muss, um zum Peak-to-Peak-Highway zu gelangen. Der Wettervorhersage getreu wurden wir von einer steifen, westlichen Brise begrüßt, die sich dann tief unten im Canyon zu vereinzelten Böen umwandelte. Glücklicherweise wirkten die Wände des Canyons eher wie ein Schutz als wie ein Trichter, und so wurden wir durch unseren Fortschritt ermutigt. Als wir uns auf den letzten steilen Abschnitten durch die Gemeinde Ward befanden, machten wir uns wegen des Windes keine großen Sorgen mehr. Der Anstieg führte uns zum Peak-to-Peak Highway, der als hügelige Nebenstraße mit scharfen Kurven und einer beeindruckenden Aussicht über den Indian Peaks Bergzug längst Kultstatus erreicht hat. Zu den warmen Jahreszeiten währe es unmöglich irgendeinen Abschnitt dieser klassischen Straße zu befahren, ohne andere Fahrer zu sehen. Doch nun, im Winter, legten wir die 19 Kilometer (12 Meilen) nach Nederland zurück, ohne ein einziges sich bewegendes Fahrzeug zu sehen. Nederland befindet sich auf einer Höhe von 2500 m (8200 Fuß) im Vergleich zum moderat hohen Boulder mit seinen 1600 Höhenmetern (5300 Fuß). Wir waren glücklich eine Pause im Café Salto einlegen zu können und heiße Sandwiches, Suppe samt Kaffee genießen zu dürfen. Die verbliebenen 32 Kilometer (20 Meilen) nach Central City fuhren wir wegen des starken Windes mit unseren Köpfen nach unten gerichtet. Wir gingen die Talfahrten viel langsamer als gewöhnlich an, und ich beobachtete Anton dabei, wie er einen Fuß in einigen Kurven ausklickte, um nicht von einer kräftigen Böe umgeworfen zu werden. Die Sonne ging bereits hinter den umgebenden Gipfeln unter, als wir Central City und den letzten Anstieg des Tages erreichten. Ein 550 Meter (1800 Fuß) hoher Anstieg leitete uns aus der Stadt und vom Asphalt wieder auf Schotter. So gelangten wir auf die passend benannte Oh-My-God-Road. Mit ihren schleichenden S-Kurven und den klaren Aussichten auf den Mount Evans ist sie wirklich himmlisch. Nachdem die Sonne aber gänzlich verschwand, konnten wir uns um das Herrliche der OMG-Road Talfahrt herzlich wenig kümmern, bis wir uns schließlich unserem hart erarbeiteten Ziel in Idaho Springs näherten. Nahezu Zähneklappernd erreichten wir die erste Tankstelle der Stadt und tranken sofort eine heiße Schokolade, während wir unsere Hände am Hot Dog Roller wärmten. Innerhalb kurzer Zeit schafften wir es zum Hotel, ließen uns eine Pizza liefern und entblätterten uns, um gründlich in der Wanne aufgewärmt zu werden – ein luxuriöser Abschluss eines belebenden Tages auf dem Rad. Wir begannen den zweiten Tag mit einem unglaublichen Frühstück im Main Street Restaurant, einem unauffälligen Diner, der spektakulär belegte Teller serviert, wie etwa mit unseren Drei-Eier-Omeletts, einer Platte Hash Browns (geriebene gebratene Kartoffeln) und zwei Scheiben Bananenbrot, die wir für später einsteckten. Vollgetankt, fuhren wir die Little-Bear-Creek Road hinauf, ein zusätzlicher Anstieg für unsere Route mit 1050 Höhenmetern (3500 Fuß), dessen Erklimmung uns mit der Aussicht über die hohe Bergkette entlang der kontinentalen Wasserscheide belohnte. Eisverkrustete Straßen wandelten ihre Oberfläche weiter oben in eine reine Schneedecke. Während wir gemächlich um die Kurven der Serpentinen fuhren und locker redeten, genossen wir das gedämpft knirschende Geräusch des Schnees zwischen unseren Reifen und der Straßenoberfläche. Wir fuhren auf etwa 3400 m Höhe (11200 Fuß), als wir sowohl den sprichwörtlichen als auch den psycho-emotionalen Höhepunkt der Reise erreichten, an dem wir die vertrauten Profile der bekannten Bergspitzen ausmachten. Mount Evans liegt natürlich besonders nah und dann in weiterer Entfernung sind die die Gipfel des Grays, des pyramidenförmigen Torres, des James und der Arapahoe Peaks sowie der am weitesten entfernte Longs Peak zu erkennen. Longs Peak ist der vielleicht bedeutendste Berg der Front Range Bergkette und da er nur 64 km (40 Meilen) von Boulder entfernt liegt, ist er unser „Haus“-Berg. Am Echo Lake kehrten wir um und fuhren eine 25 km lange Talfahrt (15 Meilen) herab, zurück in nordöstlicher Richtung nach Idaho Springs. Während der Wind bis jetzt quasi nicht existierte und die Sonne hoch oben schien, so machte nun die Luft mit einer Temperatur unter dem Gefrierpunkt die Bergabfahrt in die Stadt zu einem schmerzhaften Ereignis. Nachdem uns von der Kälte regelrecht übel war, entschieden wir uns für eine zweite Runde Kaffee im Frothy Cup. Denn wenn man keine zweite Pause für eine zweite Tasse im Winter einlegen kann, wann dann?
Glücklicherweise war der Rest des Tages recht warm und unsere Stimmung toll. Unsere Fahrt nach Hause umfasste ziemlich genau die gleichen Wege, die wir auf dem Hinweg nutzten. Ein schweißtreibender Anstieg, der auch die Oh-My-God-Road mit einschloss, brachte uns zurück nach Central City, und von hieraus entschieden wir uns, eine nicht asphaltierte Abkürzung zurück zum Peak-to-Peak Highway zu nehmen. Obgleich diese Strecke einen heftigen Steigungsgrad hatte, gab es hier wenig Verkehr und sie bot dieses Nebenweg-Gefühl, das wir beide so schätzten.
Eine stürmische, westliche Querbrise war charakteristisch für die nächsten 19 km (12 Meilen), bis wir begierig nach Osten fuhren und so unseren windigen Gegner in einen Freund in Form von Rückenwind verwandelten und über die nach unten tendierende hügelige Magnolia Road fuhren. Abgesehen von ein paar unerwarteten Matschstellen in den schattigen, berüchtigt steilen Kurven der Magnolia Road, verlief der Rest der Tour ohne Zwischenfall. Als wir am frühen Abend zurück in die Stadt rollten, fühlte es sich so an als hätten wir den Winter überholt, indem wir uns auf 3400 Höhenmeter (11000 Fuß) angeschlichen hatten. Dabei belohnen wir uns selbst mit einem Motivationsschub und der Hoffnung, dass der Sommer kommt, noch bevor wir uns versehen. Weitere Touren Wohnwagen: Anton Krupicka Ich genieße das Abenteuer des Radsports, insbesondere Bikepacking mit Reisen über mehrere Tage. Es bedeutet in freier Natur zu sein, wunderschöne Landschaften zu sehen und den eigenen Körper zu nutzen. MEHR SEHEN Coins Cachés: Boulder, Colorado Versteckt zwischen den Ausläufern der Rocky Mountains von Colorado liegt die Stadt Boulder, die mehr als 100.000 Einwohner zählt. Sie ist ein einzigartiges und idyllisches Zentrum für Outdoor-Freizeit – Radsport inklusive. MEHR SEHEN Längs durch die Pyrenäen Jeden Sommer gehe ich mit ein paar guten Freunden, die eine Herausforderung lieben, auf Abenteuerreise. Im letzten Jahr sind wir auf einer Bikepacking-Tour durch die Alpen gefahren, und dieses Jahr nahmen wir uns die Pyrenäen vor. MEHR SEHEN Auf Mont-Blanc-Gravel-Tour Nach den letzten paar Trainingsmonaten und den Olympischen Spielen in Japan entdeckte ich in mir dieses konstante Verlangen nach der freien Natur. Schon lange dachte ich über eine Gravel Tour auf dem Mont Blanc nach, und dies erschien mir der perfekte Zeitpunkt zu sein. MEHR SEHEN