GUILLAUME NÉRY: LÄNGS DURCH DIE PYRENÄEN
Mittlerweile ist es zu einem wohletablierten Ritual geworden, dass wir jeden Sommer mit guten Freunden, die Lust haben mich zu begleiten, zu einer Reise aufbrechen. Vor zwei Jahren war ich mit meinem Freund Fouad auf Trekkingtour zu Fuß über die südfranzösischen Alpen.
Letztes Jahr sind wir von Audrey zu einem weiteren Trip in die Alpen angespornt worden – allerdings mit dem Rad. Dieses Jahr nahmen wir die Pyrenäen in Angriff, und Audrey war natürlich mit von der Partie. Mit diesen beiden an meiner Seite würde ich auf jede Reise gehen.
Wir brechen mit dem einem einzigen Ziel auf: ankommen. Wir benutzen weder elektronische Geräte noch digitale Karten – wir fahren Old-School. Lediglich mit einer Landkarte aus Papier und einem Reiseplan bewaffnet, werden wir Tag für Tag unseren Weg finden. Wir haben vor, zwischen 70 und 90 km pro Tag zu schaffen, wobei wir 1500 bis 2000 Höhenmeter überwinden. Hierbei wollen wir rechtzeitig (unser Ziel ist in etwa zwei Wochen) vom Mittelmeer bis zum Atlantischen Ozean gelangen.
Unsere Räder zählen sicherlich nicht zu den modernsten, aber sie funktionieren und sie können klettern, wenn wir nur hart in die Pedale treten, und das ist auch alles, was wir von ihnen verlangen. In Sachen Bekleidung haben wir in diesem Jahr mehr Glück, da das Café uns ausgestattet hat. Schnell haben wir entdeckt, wie praktisch es ist, ein Jersey mit Taschen auf dem Rücken zu haben.
Wir sollten wirklich diese Art von Ausstattung als unsere Alltagskleidung nutzen. Ich glaube dies ist ein Trend, der schon bald in der Modebranche kommen wird, und zwar schleunig. Wieso hat zuvor niemand an so etwas gedacht?
Über ein weiteres Konzept werde ich wirklich auf unserem Weg nach Hause nachdenken: Birkenstock-Sandalen mit automatischen Pedal-Klicksystem. Audrey geht diese Expedition nämlich mit Sandalen an, denn nichts anderes hat sie mitgenommen. Deshalb konnten wir uns zumindest darauf einigen, dass Sandalen mit Klicksystem effizienter wären.
Wir bestreiten diese Abenteuer mit minimaler Ausrüstung, und so leben wir für etliche Tage aus zwei Satteltaschen. Unsere Trinkreserven aufzufüllen ist eine tägliche Herausforderung, jedoch lässt uns diese Art von Minimalismus jeden Komfort umso mehr schätzen.
Wenn Fouad auf eine Wüsteninsel geschickt werden würde, dann weiß ich, dass er seine Zinntasse, diesen italienischen Kaffeezubereiter und seinen Camping-Kocher mitnehmen würde, da er Kaffee als Schlüssel zum Überleben ansieht. Jedoch könnte Audrey nicht ohne Fluss überleben, in dem sie sich gegen Ende eines jeden Tages wäscht.
Wir nehmen auch Sachen mit, mit denen wir beim Aufbruch noch nicht rechnen konnten. Im Zug von Nizza nach Perpignan begegneten wir einem Ukrainer, der so liebenswürdig war, ein Stück Kultur aus seiner Heimat mit uns zu teilen – eine Spezialität, die wirklich faszinierend ist: dicke Schweineschwarte in gegrillter Schweinehaut. Dieses Gericht hinterlässt eine ganz besondere Sinnessensation im Mund und ist ein völlig neuer Geschmack für mich. Wir entschieden uns diese Spezialität moderat zu genießen, damit wir unter der gesamten Reise etwas davon haben. Wir vergessen auch nicht Bilder mit diesem Snack an den eindrucksvollsten Orten zu schießen.
Heute Abend, nach einem langen Tag im Sattel, werden wir uns einfach ins Gras legen. Wir werden alles herausnehmen, was wir unterwegs zu essen und trinken gekauft haben und die Magie des Augenblicks genießen. Wir erzählen einander, wie wunderschön das Leben hier ist, richten unsere Augen gen Himmel und hoffen, dass das Wetter so mild bleibt.
Wenn nicht, werden wir schon einen provisorischen Schutz finden, wir werden uns unter der mitgebrachten Plane zusammenkauern und ein unvergessliches Erlebnis haben. Dann werden wir wieder aufbrechen, um die nächsten Anstiege anzugehen, neue Leute zu treffen und weitere unvergessliche Erlebnisse zu erfahren. Leben, so wie ich es mag, das Dasein, wie ich es sehe.
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Guillaume Néry
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