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DER MITTAGSKNALL

Für diejenigen, die sich jemals mittags in der Nähe des Hafens und des Vieux Nice aufgehalten haben, wird der kleine Schock wohl in Erinnerung geblieben sein. Wenn die Uhr zwölf schlägt hört man in der Gegend um den Parc du Château den Wiederhall des Big Bang. Man hört ihn, sieht ihn aber nicht.

DER MITTAGSKNALL

Zwar heißt der Park:„Parc du Chateau“, also Schlosspark, allerdings sucht man das Schloss vergebens. Es wurde von seinem eigenen, schlimmsten Feind zerstört, den Franzosen selbst.

Ursprünglich war das Schloss eine Zitadelle, eine militärische Bastion, die aus dem 11. Jahrhundert stammte. Im 18. Jahrhundert war sie im Besitz des italienischen Hauses von Savoyen. 1705 eroberten die Franzosen es zurück, und im Jahr darauf sah Ludwig der 14. es als angemessen an, die Burg zu zerstören. Das Château ist heute nur noch ein Küstenabschnitt, bosse, ein einzelner Felsen, der den Hafen von der Baie des Anges trennt, übersäht von Relikten aus der Vergangenheit, die von dem 360 gradigen Panorama ablenken. Hier sammeln sich Touristen in Menschentrauben, um mit einem höhergelegen Motiv Nissa la Bella, an einem Platz der früher zur militärischen Verteidigung genutzt wurde, dem strategischen Voyeurismus gerecht zu werden.

DER MITTAGSKNALL

Die Kanone wurde abgefeuert, um zu signalisieren, dass es Mittagszeit war, ein unverzichtbar wichtiger Teil des täglichen, französischen Lebens. Jedoch wurde dieser Kanonenknall nicht von einem Franzosen eingeführt.

Es war der schottische Lord Coventry, der mit der mittlerweile streng mit Nizza verbundenen Tradition anfing. Der Schottische Lord wollte damit seine Frau daran erinnern, dass sie jetzt aufhören sollte auf der Promenade zu flanieren, um nunmehr zum Essen zu kommen. Wir hätten es zwar gerne so ausgedrückt, dass er sich lediglich in seiner Winterresidenz während der Belle Epoque dem Mode de Vie anpasste, doch brauchten die Ortsansässigen gar keine Kanone, und sie brauchen sie noch immer nicht. Mittagspause ist nationale Kultur: Die Geschäfte schließen, die Straßen leeren sich und in den Gaststätten wird es laut und hektisch. Dies hat sich über Jahrhunderte in die DNA der Bevölkerung eingebrannt. Jedoch ist in Nissa la Bella der Kanonenknall zur Tradition geworden.


DER MITTAGSKNALL

Also kein Château und eine französische Tradition, die von einem Schotten erfunden wurde. Zumindest gibt es ja noch die Kanone und einen gewaltigen Knall über die gesamte Bucht. Jeden Morgen wird die Kanone vom modernen Militär herausgerollt und im Takt mit den letzten Sekunden des Morgens gefüllt und abgefeuert, damit auch jeder weiß, dass es jetzt an der Zeit ist zu essen. Disziplinierte Männer, die den bewaffneten Kampf trainiert haben und mit sauberen Militäruniformen ausgestattet wurden, führen mit Stolz diese Jahrhunderte alte traditionelle Aufgabe aus.

DER MITTAGSKNALL

Allerdings gibt es gar keine Kanone.

Philippe ist ein lizensierter Pyrotechniker. Er trägt Sportschuhe, Jeans und T-Shirt und hat eine freundlich-familiäre Ausstrahlung. Gerne lässt er uns die Kanone abfeuern. Bis 1992 war die Polizei für das Zünden der „Kanone“ verantwortlich. Danach wurde ein neues Gesetz verabschiedet, das dies nur noch zertifizierten Pyrotechnikern erlaubte, in diesem Fall Philippe. Die Kanone besteht heute aus vier, professionellen Feuerwerksrohren, die elektrisch gezündet werden. Als Auslöser dient eine gewöhnliche Blockbatterie, so wie man sie früher in ferngelenkten Autos verwendet hat. Ein einzelner Feuerwerkskörper wird in die Luft geschossen, bevor er mit einem lauten Knall explodiert.


DER MITTAGSKNALL

Seit Philippe angefangen hat, hat er nur zweimal das mittägliche Abfeuern verspasst: einmal weil durch einen Unfall die Straße versperrt war und einmal weil er in einer Menge demonstrierender Angestellter des öffentlichen Dienstes am Place Garibaldi gerade unterhalb des Châteaus festhing. Er ist mittlerweile bekannt dafür, den Knall am 1. April eine Stunde zu früh auszulösen.

DER MITTAGSKNALL

Wir kaufen Philippe ein Pan Bagnat, ein besonderes nizzaisches Brötchen (wie ein dunkles Brötchen mit Salat Niçoise und Olivenöl) und essen zusammen mitten unter Touristen neben dem Bellanda-Turm, der die Promenade des Anglais überschaut. Die Touristen haben keinen blassen Schimmer, dass dieser Mann ihnen vor kurzem einen Schrecken eingejagt hat. Leider geht er bald in Rente. Das ist betrüblich, jedoch versichert er uns zu 100 Prozent, dass die Kanone auch weiterhin abgefeuert wird. Wie kann er da so sicher sein? Ganz einfach, seine Tochter wird ihn ersetzen.

DER MITTAGSKNALL

Details wie die Mittagskanone sind das was Nizza so nizzaisch, so unverwechselbar macht. Das neue Jersey Eglantine trägt stolz das Nissa La Bella Abzeichen auf dem Ärmel.