SHAKE IT UP NR. 2: « 1 Stunde - 5 km von zu Hause »

Normalerweise beginnt im Frühling offiziell die Saison der Abendtouren. Mehr Tageslicht bedeutet, dass man einen Arbeitstag abschließen kann, indem man sich eine Radsporthose anzieht, ein Jersey überstreift und auf das Bike hüpft, um eine 50 km lange Rundtour in den Sonnenuntergang zu fahren. Ein Gefühl der Glückseligkeit, das ich besonders liebe. Allerdings verdreht sich alles mit der verdammten Ausgangssperre. Seit einem Jahr schon haben die Tage einen anderen Rhythmus, einen anderen Geschmack.

Das Radfahren wurde uns für eine Zeit weggenommen, und jetzt erscheint das Rad wie eine süße Erinnerung daran, dass die Freiheit nicht mehr weit weg ist. In diesen Tagen müssen wir diese Verschnaufpause nutzen, diesen Moment der Freiheit zur Mittagszeit. Es ist unzweifelhaft der kurze und intensive Moment des Tages. Man erzählte mir von einem kleinen Anstieg, der einen Besuch wert sei…“

Ich fahre mit schnellem Antritt die Basse Corniche entlang, eine der weniger langweiligen Straßen, die nach Monaco führen. Meine Beine kribbeln angenehm und meine Trittfrequenz ist gut bis intensiv. Ich kann einfach nicht genug davon bekommen das funkelnde Wasser am Wegesrand zu sehen und fühle, wie die Begeisterung in mir steigt. Als ich nach Beaulieu hineinfahre, ändern die Silhouetten der Palmen des Casinos meine Tour in eine majestätische Reise, als hätte sich mein Rad allmählich in eine Märchenkutsche verwandelt. Ich werde hinweggetragen…

Plötzlich bin ich hin zu einem 2 km langen Anstieg transportiert worden, um zur Moyenne Corniche zu gelangen. Das ist Garnichts im Vergleich dazu, was mich als Nächstes erwartet.

Als ich schließlich auf der Moyenne Corniche fahre, bin ich einfach nur überrascht wie viele Autos gerade auf der Straße sind. Ein paar hundert Meter weiter weg biege ich nach rechts auf eine kleine Straße ab und lasse den Verkehr hinter mir.

Wie sie schon sagten, die Route verläuft durch Häuser. Es ist eine kleine, enge Straße, auf der man sich nicht im Geringsten vorstellen kann, dass hier zwei Autos aneinander vorbeipassen. Ich habe schon 18 km hinter mir gelassen, wie mein Computer mir sagt, und es fängt gerade erst richtig an. Ich sehe eine ernste Angelegenheit auf mich zukommen. Der Gradient ist entsetzlich. In nur 100 Metern steigt er von 14 auf unglaubliche 21 %. Ich gebe alles was ich habe. Ich träume davon noch einen weiteren Gang zu haben. Ich versuche zu wechseln, aber nein, keine weitere Möglichkeit es einfacher zu machen.

Der Takt nimmt dramatisch ab, während mein Herz so schwer pumpt wie nie zuvor. Es ist so steil, dass mein Bike rückwärtsfahren will. Für ein paar Meter fahre ich im Zick-Zack und von Seite zu Seite. Ich erreiche eine Unterbrechung, an der die Straße „flacher“ wird. Es fühlt sich an wie ein schöner, sanfter 13-%-Gradient, und ich lasse meine Gedanken den Glauben aufbauen, dass es so bis zur Grande Corniche bleibt. Als ich meinen Kopf hebe, löst sich diese Hoffnung in Luft auf. Das große Finale ist eine Wand mit 19 % Steigung, kurz genug, um weniger hart als die erste zu sein, aber lang genug, um mich daran zu erinnern, keine Höhenmeter zu zählen, bevor ich sie nicht erklommen habe.

Ich brauche einen ganzen Kilometer, um wieder zur Besinnung zu kommen. Ich kann mir absolut nicht vorstellen, dass der Kerl, der gerade mit einem leichten Grinsen im Gesicht an mir vorbeigefahren ist, die gleiche Straße genutzt hat. Zumindest hoffe ich das! Die Luft ist angenehm kühl und kündigt einen wunderschönen Tour-Moment auf dem Weg nach unten an.

Das Adrenalin schoss in die Höhe, genau wie ich es brauchte. Ich packe mit beiden Händen an die Biegungen der Lenkstange und sause bergab auf diesen Straßen, die ich in- und auswendig kenne.

Zurück im Hafen entladen manche Fahrer Ihr Boot. Wir winken und rufen uns ein „Bonjour“ zu. Wir brauchen gar nicht mehr zu sagen. Leidenschaftliche Menschen verstehen einander auch ohne Worte.

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