The Migration Race

Es gibt gewisse Touren und Rennen, die wirklich beeindruckend sind. Das Migration Race ist mehr als nur Gravel-Radsport, mehr als nur ein Rennen. Es ist eine wundervolle menschliche Erfahrung für seine Teilnehmer, seine Organisatoren und die Einwohner Kenias (Mensch und Tier). Es sind seltene Momente des Lebens, die man teilt.

Das Migration Race ist ein 600 km langes Gravel-Rennen, das über vier Etappen verläuft und an vier Tagen auf dem Gebiet von Masai Mara im Südwesten Kenias stattfindet. Die Masai Mara bildet eines der größten Naturreservate Afrikas. Sie umfasst eine riesige Fläche aus grasbewachsenen Ebenen, Savannen sowie Hügeln und beheimatet eine unglaubliche Vielfalt von Wildtieren.

Die Masai Mara ist die Heimat der reichen und lebhaften Kultur des Maasai-Volkes (wohlgemerkt mit Doppel-A) und besitzt gleichzeitig diesen Reichtum an außergewöhnlichen Zebra- und Giraffenherden. Dem traditionell halbnomadischen Stamm der Maasai gelingt es trotz des bedrückenden Einschleichens der Moderne im 21. Jahrhundert, seine angestammten Traditionen zu bewahren und eine Lebensweise im Einklang mit diesem natürlichen Lebensraum zu genießen.

Diese Rennwoche wäre ohne die Männer der Maasai nicht möglich, die in der Organisation omnipräsent sind, die die Motorräder der Kameraleute und Journalisten steuern, Camps errichten und über die gesamte Entourage wachen, die sich in den Camps mitten in der Wildnis befindet, in der Wildnis, die die Maasai wie ihre Westentasche kennen. Diese Männer erhellen auch unsere Stimmung mit ihrem Gesang, ihren Tänzen, ihrem feinen Auftreten, während sie immer lächeln.

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Einen kuriosen Kontrast zu der einfachen Lebenseinstellung der Massai bieten die Radsportler aus aller Welt, die hier mit ihren piependen Mechanismen und technischen Utensilien ankommen. Die Eingeborenen, die in ihre karierten Shúkàs gehüllt sind, betrachten unsere trivialen Probleme mit dem Reifendruck oder der GPS-Batterie mit gleichmütiger Lässigkeit und der Machete an ihrem Gürtel. Dieses Leben der „modernen“ Menschen scheint sich meilenweit von ihrem eigenen alltäglichen Leben zu unterscheiden. Sie werden ständig mit diesen Macken konfrontiert, da Touristen aus aller Welt von ihrem Heimatland angezogen werden. Dennoch bringen diese Touristen auf zwei Rädern Handel und dieses Radrennen ist zufällig auch eines der merkwürdigeren (und vielleicht vorteilhafteren) Formen des Tourismus, die das naturverbundene Leben invadiert, das sie geerbt haben.

Der erste Renntag begann für das Café du Cycliste Gravel-Team mit einem Knüller. Die britische Radrennfahrerin Annabel Fisher beendete die 140 Kilometer lange Etappe auf dem ersten Platz, während die Spanierin Lydia Iglesias den dritten Platz erzielte. Unsere isländische Kriegerin Maria Guðmundsdóttir und die belgische Abenteurerin Isabelle Beckers erreichen die Top Ten der Frauen – ein grandioser Start.

Für die männlichen Wettkämpfer verläuft das Rennen in noch höherem Tempo. Viele der europäischen Gravel-Asse nehmen teil. Die afrikanischen Fahrer sind atemberaubend schnell unterwegs, und das Team Amani zeigt vielen, wie das unglaubliche Terrain gehändelt wird.

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Das Camp für die erste Nacht wirkte, als sei es von magischer Hand mitten im Nirgendwo entstanden. Einzelzelte mit Dusche und Toilette wurden errichtet. Auch einen Speiseplatz samt enthusiastischen Köchen gibt es, die bereits im Einsatz sind, um die 200 sehr hungrigen Bäuche zu füllen. Über ganze vier Tage hat die Organisation das Meisterstück vollbracht, das Bike jedes Fahrers und jeder Fahrerin zu waschen sowie eine warme Dusche und einen Reparaturservice anzubieten. Die Qualität der Logistik war äußerst beeindruckend, wenn man bedenkt, wie alles über schwieriges Gelände, oftmals über steiles, steiniges und matschiges Terrain herbeigeschafft wurde und das oft an Orte, die nicht einfach zu finden sind.

Der zweite Tag führt über die Berge und ähnelt einer Etappe der Tour de France nur eben auf losem Untergrund. Mit 170 Kilometern und über 2800 Höhenmetern erscheint der Kurs unseren Rennfahrerinnen als vielversprechend. Unglücklicherweise fällt Lydia jedoch 10 Kilometer nach dem Start. Im Nachhinein, wenn man die Tiefe des Loches betrachtet und den Zustand des Rahmens sowie die Gewalt des Aufpralls sieht, hätte der Unfall noch viel schwerwiegendere Folgen haben können. Erschöpft versteht Lydia, dass dies den Verlust ihres dritten Platzes bedeutet und vermag es nicht länger, die Tränen zurückzuhalten. Sie kann am nächsten Tag wieder aufs Rad steigen und hat sich beim Sturz nicht zu sehr wehgetan. - Das ist alles, was zählt.

Zur gleichen Zeit macht Annabel eine Lebensmittelvergiftung zu schaffen. Zwar wird sie ihren ersten Platz halten können, aber nicht für lang, denn dieser Bazillus macht ihr das Leben schwer. - Plötzlich ist Isabelle verschwunden. Wie viele in diesen vier Tagen wurde sie Opfer eines temperamentvollen GPS. So verloren im Busch, ohne GPS, gestand sie uns nach ihrer Ankunft ihre Furcht dort draußen in der Mitte der Wildnis. Allerdings bleibt Maria auf das Rennen fokussiert und die nächsten Tage werden gut zu ihr sein, auch wenn ihre Blessuren sie leiden lassen.

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Sie beendet die Etappe unter den ersten Dreien. Annabel versteht, dass ihre Darmprobleme ihre exzellente Kondition beeinträchtigen, während Maria und Isabelle konstant fahren, wobei Maria um die Plätze kämpft, während es bei Isabelle jetzt nur noch darum gehen kann, dabei zu sein und aus Vergnügen zu fahren. An diesem Abend im Camp wird den Teilnehmern ein Spektakel seltener Grazie geboten, das sich ähnlich einer Halluzination präsentiert. Auf einem Bergrücken zeigen sich Giraffen in ihrer turmhohen Gestalt. Die Eleganz ihres Schreitens ist überwältigend. Die Athleten starren mit ihren müden Augen gebannt an den Horizont. Auch unsere Maasai-Gastgeber sind zahlreicher als gewöhnlich. Die Maasai Frauen haben einen Kunsthandwerksmarkt improvisiert, während die Männer ein Feuer angezündet haben, um Fleisch für die Gruppe zu grillen. Welch schöne Atmosphäre für diese vorletzte Nacht hier draußen unter afrikanischem Himmel.

Der vierte Renntag bietet eine letzte Etappe mit zahlreichen Ereignissen und wilden Tieren, die die Pfade vor den Augen der Wettstreiter überqueren. Maria erntet den Erfolg ihrer steten Anstrengungen und belegt den dritten Platz in der Gesamtwertung. Annabel hat mit einen weiteren erschöpfenden Tag zu kämpfen. Nach lediglich 20 Kilometern bricht ihr Umwerfer, sodass sie nur noch einen Gang für die verbleibenden 150 Kilometer zur Verfügung hat.

Die Etappe weißt 1800 Höhenmeter auf. Doch Annabel wäre nicht Annabel, wenn sie nicht trotzdem fortsetzen wollte, und so schafft sie es, bei Einbruch der Dunkelheit durchs Ziel zu fahren. Trotz gemischter Gefühle war dies ein wahrhaft eindrucksvolles Ereignis und die Erinnerungen an dieses Rennen werden uns noch lange beschäftigen – eine unvergessliche Reise: welche Landschaften, welch Wettkampf, welche Emotionen … Das Migration Gravel-Race ist so viel mehr als nur ein Gravel-Rennen.

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