Radsport und Kreativität: Jade Robertson
Anfang Juni schauten wir im Studio von Jade Robertson vorbei, einer abstrakten Künstlerin, die zeitlebens auch Radsportlerin war und in diesem Jahr ein Kunstwerk für eine Kampagne mit Café du Cycliste schuf. Jade stammt ursprünglich aus dem Vereinigten Königreich, wohnt jedoch inzwischen in Paris, in der Gegend um die Bastille. Ihre Kunst handelt in ihren Worten um „Energie“, und wenn man den Katalog ihrer Gemälde betrachtet, erkennt man, wie dynamisch Jades Arbeit wirklich ist, aber auch, wie stark sie von der Natur und der Umwelt, in die sie mit dem Fahrrad reist, beeinflusst wird. Den größten Teil ihres Lebens hat sie Radsport betrieben, da sie aus einer Familie von Radsportlern stammt. Als Kind schon fuhr Jade in die Mountainbike-Ferien und verfeinerte ihre technischen Fähigkeiten und entwickelte ihre Liebe zum Nervenkitzel des Radsports.
„An meinem 10. Geburtstag bekam ich einen pinken Rennlenker geschenkt und dachte, ich wäre die Coolste. Ich lernte eine große Lektion, als ich das Pedal durchtrat, an den Bordstein kam und hinfiel. Es tat weh und (sie lacht) ich habe das seitdem nie wieder gemacht.“
Nach Ihrem Abschluss zog sie nach New York City, um als Textildesignerin Karriere zu machen. Hier arbeitete sie beinahe 20 Jahre für große Marken. Jade wurde jedoch zunehmend unglücklicher mit der homogenen Welt der kommerziellen Mode und suchte verzweifelt nach einem neuen Ventil für ihre Kreativität. Allerdings war es nicht die Kunst, sondern vielmehr der Radsport, der Sie in eine neue, viel erfüllendere Richtung drängte.
„Ich fühlte mich in meinem Berufsleben einfach uninspiriert, und dann begann ich mehr Radsport in New York City zu treiben.“
Nachdem sie für einige Zeit mit einem Cyclocross-Bike gependelt hatte, traf sie in New York eine Gruppe von Radsportlern und wechselte zu einem eleganteren Straßen-Rennrad. Schon bald fuhr sie zweimal in der Woche in dieser reinen Männergruppe und überschritt jeden Mittwoch und Samstag immer neue körperliche Grenzen, während Sie mit Ihren Radsport-Gangs vom Big Apple bis hinein in den Bundesstaat New Jersey fuhr.
„Der Radsport bedeutete alles für mich. Er ermöglichte mir Expression, mich zu lösen und war das Ventil, das mein Job mir nicht gab. Ich konnte es gar nicht erwarten, wieder mit dem Rad ins Freie zu fahren. Außerdem machte der Radsport mit den Jungs mich richtig stark.“ „Es mag etwas kitschig klingen, jedoch gab mir dieser Sport den Antrieb, in meiner Karriere meine eigene Richtung einzuschlagen. Wisst ihr, ich dachte einfach: ‚Wenn ich mich beim Windschattenfahren mit diesen Jungs abwechsele und sie sogar, wenn ich vorn bin, mitziehe …‘. Das ließ sich auch auf meine Karriere übertragen, und ich fing an, ehrlich zu mir selbst zu sein. Mein Job endete in New York City, und seitdem bin ich freischaffende Künstlerin.“ Jade zog nach Paris und begann nach einer ähnlichen Gruppe zu suchen, um wieder in der Gemeinschaft Rad zu fahren. Hier traf sie auf Christophe Flemin, den Fotografen von Café du Cycliste, und sie begannen sich über die kreative Welt auszutauschen.
„Eines der schönen Dinge am Radsport ist, dass man fantastische Leute trifft. Es entwickelt sich eine Kameradschaft … Seitdem ich Christophe getroffen habe, war er stets ein großartiger Fürsprecher und Ansprechpartner für meine Arbeit.“
Sie hatte schon vorher mit Christophe bei einem Projekt zusammengearbeitet, als er Jade für die Werbekampagne zur Lancierung der neuen Schuhsparte von Café du Cycliste kontaktierte.
„Das Schöne an diesem Projekt war, dass ich Radsportlerin bin und weiß, wie es sich anfühlt, sowohl auf der Straße als auch abseits der Straße zu fahren. Ich kenne das Gefühl, wisst ihr, es ist wie eine Tour durch Paris gegen 6 Uhr morgens, wenn niemand um einen herum ist - dieser Kick, diese Lust zu fahren. Das wollte ich in meinem Bild einfließen lassen.“
Jades Kunst wird von vielen Dingen beeinflusst, so zum Beispiel von japanischen Gemälden und von französischem abstraktem Expressionismus. Ihre Arbeit steckt zweifellos voller Energie und Dynamismus, beides findet sie, wenn sie schnell auf dem Rad unterwegs ist. Doch bietet ihre Kunst auch ein Fenster zu ihrer ekstatischen Sichtweise auf die Welt um sie herum. Sie liebt es, die Dualität ihrer Erfahrungen einzufangen und mischt Licht mit Dunkelheit und die Ruhe mit dem Chaos.
„Die meisten meiner Gemälde handeln von Energie und einem Gefühl. Folglich war das Projekt mit Café du Cycliste nicht schwierig für mich. Wir schufen ein paar Versionen, allerdings nicht viele. Ich nutzte ein paar unterschiedliche Techniken wie die Sprühflasche, um einen Spritzeffekt zu erzielen. Dieses Projekt hat wirklich Spaß gemacht.“
Es ist klar, dass Jades Radsportleben direkt in ihre Kunst einfließt. Bewegungen und Strukturen landen geschwind auf der Leinwand, vergleichbar mit einer Straße oder einem Pfad, welche sich vor dem Radsportler auftun. Sie verstand Ihren Auftrag deutlich, die DNA von Café du Cycliste als Marke. „Dinge wie Wasser auf der Straße, der Staub, die Reifenspuren. – Ich denke, Christophe musste mir nicht viel erzählen, weil ich wusste, wonach ihr sucht … Ich liebe es, die Bewegung sowie Energie festzuhalten und versuche, das durch die Erfahrung auf dem Rad nachzubilden.“
Jades lebhaftes Auftreten ist sogar noch offensichtlicher, wenn man sie trifft. Sie strahlt so viel Positivität aus, dass es ansteckt. Doch ist es vielleicht die Mühe und das Unbehagen (möglicherweise sogar die Finsternis) der Stunden im Sattel, besonders beim Klettern, wenn es gilt, einen Hügel oder Berg zu überwinden, was diese Dissonanz schafft und letztendlich den Kopf frei macht.
„Der Radsport ist wie Therapie für mich. Er macht mich so glücklich. Man kann endlos vom Radsport lernen und das lässt sich gut ins Leben übertragen. Zum Beispiel als ich den Mont Ventoux erklomm, gab es diese sehr demütigen Momente, die einen überkommen. Es ist nicht nur ein Training, sondern man kann wirklich den Kopf frei machen und sich auf die Gegenwart konzentrieren. Das ist wirklich gut für die eigene Mentalität.“
Wie bei jeder Person in dieser Rubrik stellen wir die Frage: Sind die Welten des Radsports und der Kreativität symbiotisch? „Ich denke, dass Radsport und Kreativität stark verbunden sind. Es ist schwierig, das zu visualisieren, was mir in den Kopf kommt, jedoch hilft der Radsport mir meinen Geist zu befreien, und ich denke, ich könnte das eine nicht ohne das andere tun. Durch den Radsport kann ich aufmerksam bleiben und mich konzentrieren. Die physische und mentale Seite sind beide sehr wichtig für mich.“
Für sie haben Radsport und Kunst eine übergeordnete Sache gemeinsam: Energie. Natürlich ist es das, was die Pedale drehen lässt und die Pinselstriche erzeugt und für Jade Robertson hält es letztendlich die Welt in Bewegung. Sie nutzt diese Energie in allem, was sie tut.
„Ohne zu philosophisch klingen zu wollen, denke ich, dass Radsport und Kunst mein Leben gerettet haben. Ich wüsste nicht, was ich ohne beides tun würde. Diese beiden Dinge machen mich zu 100 % aus. Ich weiß, dass es nicht einfach ist, eine erfolgreiche Künstlerin zu sein. Ich möchte einfach, dass sich Leute gut fühlen, wenn sie meine Kunst sehen. Diese Energie, die ich porträtieren will, ist etwas wirklich Wichtiges für mich.“
MEHR SEHEN
Radsport und Kreativität: Laurianne Melierre.
Auf ihrem leuchtend orangefarbenen Brompton navigiert Laurianne Melierre gekonnt durch die schönen Viertel von Paris mit ebenso viel Neugier wie Kraft.
Radsport und Kreativität: Andrea Sarri
Sarri kann im Radsport jährlich mehr als 25.000 km verzeichnen. Andrea Sarri hätte Radprofi werden sollen, aber sein Leben nahm eine andere Wendung.
Radsport und Kreativität: Antoine Ricardou.
Der Architekt Antoine Ricardou, Gründer der in Paris ansässigen Agentur Saint-Lazare (A.S.L.) und des Montmartre Vélo Club (MVC Paris), fuhr an einem regnerischen Morgen in Paris mit uns, um seine Gedanken über die Verbindungen zwischen seiner Kreativität und seinem Ausdauersport mit uns zu teilen.