Sandra Sommer
Von dem Moment an, als sich die Tür zu ihrem ruhigen Atelier in Salzburg öffnet, wird deutlich, dass Sandra Sommer eine Leidenschaft für Fahrräder hat. Gemälde, die allesamt Radsportler in einem einzigartigen Stil darstellen, hängen an Haken an den Wänden.
Ein wunderschönes, antikes Basso Rad in Pink, gealtert wie feiner Wein, lehnt an der Wand. Seine Anwesenheit hält den Raum thematisch zusammen und komplettiert das Ambiente. Sandra ist gelassen und bodenständig. Mit stolzem, weitem Lächeln führt sie uns zu einem mit Kork verkleidetem Tablett, das oben auf einem Gestell ruht, auf dem sich das Gros ihrer kreativen Werkzeuge befindet.
Die junge Absolventin des Kunststudium unterrichtet mittlerweile andere in ihrer Leidenschaft. „Ich habe schon in jungen Jahren ständig gemalt und wollte schon immer einen kreativen Beruf.“ Seitdem Sandra vor Kurzem Mutter geworden ist, teilt sie ihre Zeit zwischen ihrer jungen Familie und ihrem Atelier auf. Immer dann, wenn sie eine Gelegenheit dafür findet, fährt Sie mit ihrem Rad. „Mein Verhältnis zur Kreation hat sich im Verlaufe der Jahre entwickelt. Reife, Reisen, zufällige Begegnungen, Lebenserfahrungen – all das verändert uns erheblich und entwickelt unser Feingefühl sowie unsere Sichtweise auf die Welt.“
Ihre Technik umfasst eine Mischung verschiedener Medien: Farben, Pinsel, Tinten und Farbstifte. Sie arbeitet mit qualitativ hochwertigem Papier in unterschiedlichen Größen und gibt zu, sich bei kleineren Werken am wohlsten zu fühlen und spontaner zu sein: „Ich wurde von einer Flut von Radsportfotos inspiriert, die in den letzten Jahren in den sozialen Medien kursierten. Sie wurden von ständig aktiven Radsportlern gepostet. In dieses Thema wollte ich mich vertiefen.“
Sie untersucht diese Schnappschüsse des sportlichen Lebens und haucht den Szenen, die ihre Aufmerksamkeit erwecken, neues Leben ein. Das macht sie auf ihre Weise, auf der ihr eigenen künstlerischen Art, die als kreative Idee in Gang gekommen ist. Sie sucht Dutzende Instagram Seiten auf und beobachtet sie.
„Für viele ist die eigentliche Tour weniger bedeutend geworden als das Foto, das auf ihr geschossen wurde. Für einige ist das sogar die Hauptfreizeitbeschäftigung geworden. Sie haben sich dazu verschrien einen konstanten Strom an Bildern zu schaffen, um ihre Community zufriedenzustellen und die Kontrolle über ihre Popularität zu behalten. Dieses unermüdliche Tempo des Postens sowie der Imagekontrolle sprach mich wirklich an. Ich fragte mich, was ich daraus als Künstlerin machen könnte.
Sandras Maltechnik steckt voller Bedeutung. In Ruhe nimmt Sie ein kleines Stück Papier mit dicker Prägung, sucht sich ein Fläschchen Farbe und schüttet sie auf das Papier. Mit beiden Händen hält sie es, dirigiert die Farbe über das Papier und setzt ein deutliches „Zeichen“, mit dem wir puren Neulinge nicht wissen würden, was wir damit anfangen könnten. Das weiß sie. Ihre Inspiration stammt von noch einem weiteren Instagram Account. Dieser „Kleks“ Farbe als Ausgangspunkt in ihrem Werk ist Teil des Prozesses. Er ist unkontrolliert und spontan und repräsentiert das Loslassen. Das Loslassen nicht allein unserer immer aktiven Leben sondern auch von der Kontrolle über unser Image. Ein langsamer, kreativer Prozess folgt nun. 24 Stunden später, wenn die Farbe trocken ist, geht sie näher auf ihre Kreation ein. Ein Pinselstrich hier, ein Bürstenstrich da – dieser verlangsamte kreative Prozess ist es, der Sandra in diesem Rennen nach Inhalt am meisten interessiert. „Ich schicke die Gemälde an Leute, die mich nicht kennen. Sie sind überrascht und oft geschockt, dass ich sogar ihr Foto entdeckt habe. Wir tauschen Ideen aus, und das ist ein sehr bereichernder Vorgang.
Sandra nutzt die Zeit zwischen ihrem professionellen und ihrem familiären Engagement für ihre Touren. Trotz dieses Balanceakts schafft sie es erstaunliche 8000 Höhenmeter pro Monat zu verbuchen. Ihre längeren Ausflüge mit Freunden erreichen sogar 100 km. Jedoch fährt sie meistens alleine zwischen 25 und 40 Kilometer immer auch kletternd, da Salzburg am Fuße der Berge liegt.
Inspiration kommt, wenn man es am wenigsten erwartet. „Während der Tour ist es wichtig, diesen losgelösten Zustand zu erreichen, der als Auslöser agieren kann,“ jenen Moment, den die Forscher in unserem vorigen Artikel beleuchteten. „Wenn ich fahre, lebe ich den Moment. Mein Gedankenprozess und mein Gedankenfluss verlangsamen sich. In diesem Moment mache ich meinen Geist frei. Ich habe bemerkt, dass dann meine kreativsten Ideen kommen.“
Ich organisiere meine kreativen Sitzungen zeitnah nach meinen Touren, um genau mit der kreativen Energie der gerade beendeten Tour weiterzumachen. Der geistige Friede und die innere Ruhe, die ich dann noch in mir trage, haben einen positiven Effekt auf meine Kreativität. Für manche Leute ist es die erste Stunde des Tages, die zählt. Großartige Künstler, wie Picasso, hatten immer ein Notizbuch dabei, weil die Ideen und Inspirationen oft früh am Morgen kamen. Bei mir setzt diese Phase ein, wenn ich nach einer Tour zurück im Atelier bin.
Die komplette Idee sich auf dieses Projekt zu konzentrieren erschien ihr während des Radfahrens, genauso, wie das Bedürfnis nach weniger Stress in Ihrem Leben und in den sozialen Medien auftrat. „Ich habe mich gefragt, wie ich das zu Wege bringen kann und warum. Mir wurde klar, dass die Erfahrung, die ich auf dem Rad erlebte, die perfekte Illustration dessen war, was ich tun wollte. Manchmal geht es schnell, manchmal langsamer. Ich wollte, dass mir diese Idee klar erschien. Wenn man bei der Abfahrt die Finger von der Bremse lässt und 80 km/h erreicht, dann ist das der Moment in dem man die Kontrolle verliert.“
To see more of Sandra's work, take a look at her instagram page @sandis_art.
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