DIE HERAUSFORDERUNG VON KÜHTAI – DAS WUNDER VON NORDTIROL, MIT SARAH BACHER
Der Herbst zeigt sich in vollen Zügen und Schnee beginnt die Spitzen der Stubaier Alpen, die das Tal von Innsbruck umgeben, in sein Weiß zu hüllen.
Für die Wintersaison dieses Jahres entschied ich mich in Innsbruck zu wohnen. Ich habe noch immer einen Monat Zeit für meine Vorbereitungen, bevor es richtig losgeht und ich kann es kaum erwarten, endlich zu starten. Der Anblick der ersten Schneeflocken lassen mich ungeduldig werden, während meine Gedanken nur noch darum kreisen, endlich mein Snowboard anzuschnallen, um den ersten Abhang herunterzubrettern.
Diese Stadt wurde der Radsportwelt während des Weltmeisterschaften 2018 vorgestellt, allerdings kannte ich sie vorher schon ziemlich gut. Mein Weg endete immer wieder in dieser Stadt, wenn ich kam, um in den umliegenden Skiorten Ski zu fahren. Außerdem leben viele meiner Freunde hier, so auch Louisa, die mich auf dem heutigen Ausflug begleitet. Das Gelände von Innsbruck ist im Durchschnitt recht vielseitig. Man kann am Inn entlang des flachen Ufers fahren, genauso wie man sich auf die benachbarten Berghänge wagen kann, deren Gipfel mehr als 2000 m Höhe erreichen.
Louisa und ich haben uns in der Schule getroffen. Wir gingen auf eine spezielle Schule, die auf das Skifahren ausgerichtet war. Zu der Zeit hatte ich schon meine Vorliebe fürs Snowboardfahren entdeckt, während Louisa sich an das Skifahren hielt. Leider erlitt sie mehrere Knieverletzungen und musste das Skirennfahren aufgeben. Danach entdeckte sie ihre Liebe für den Radsport, was uns zum Hier und Jetzt führt. Es wird fantastisch sein, meine Trainingseinheiten mit einer alten Freundin auf den Tiroler Außenbezirksstraßen zu teilen. Louisa ist der heutige Guide und ihre Tipps werden für mich sehr wichtig sein, da wir den Kühtei, einen Giganten der Alpen, erklimmen werden.
In den letzten paar Monaten habe ich den Radsport etwas vernachlässigt, weil mein Training bereits angefangen hat. Jeden Tag trainiere ich für zwei Stunden und verbringe diese Zeit draußen und renne, um an meiner Balance und meiner Körperkraft zu arbeiten. Außerdem trainiere ich mit Gewichten im Fitness-Studio.
An anderen Tagen verbringe ich meine Zeit damit, meine Online-Lektionen durchzuarbeiten. Seit September 2021 nehme ich an einem Universitäts-Kurs in Ernährungswissenschaften teil. Das Programm dreht sich vor allem um Hochleistungssportler und ich werde es in 5 anstelle von 3 Jahren abschließen. Diesen Winter, mit all dem Training, dem Reisen und den Wettbewerben, werde ich dem Radsport nicht so viel Zeit widmen können, wie außerhalb der Saison.
Kühtai hat einen ganz besonderen Platz in meinem Herzen, weil ich hier an meinem ersten Wettbewerb teilgenommen habe. Ich war 10 Jahre alt, als ich durch Österreich reiste, um gegen andere junge Skifahrer des Landes anzutreten. Tatsächlich findet jedes Jahr eine Reihe von Wettbewerben statt, um alle Junior-Wintersportler zusammenzubringen. Dies ist eine Gelegenheit, um zukünftige Talente zu entdecken. Ich hatte bei meinem ersten Wettbewerb den dritten Platz gewonnen, und das bleibt eine meiner wichtigsten Erinnerungen. Alles begann von da an mit einem Schneeballeffekt.
Ich hatte schon Sorgen, dass das Wetter heute nicht mitspielen würde, weil der Herbst in Innsbruck recht unvorhersehbar sein und sich das Wetter schlagartig nachteilig verändern kann. Doch glücklicher Weise hatten wir den ganzen Tag lang Sonnenschein und die Temperatur war mit über 12 Grad recht mild (nur am Gipfel, wo uns der Schnee erwartete, zeigte uns das Thermometer Temperaturen unter null). Wir bestreiten den Anstieg in einem guten Rhythmus: 23 km bergauf sind auf der Tagesordnung. Louisa gibt mir den Rat mit den Kräften zu haushalten, um den 1 km langen und harten Teilabschnitt mit einer Steigung von 15 % (stellenweise sogar 20 %) schaffen zu können, der bei Kilometer 11 beginnt. Wir erreichen diese Wand, die sich direkt vor uns erhebt – sie ist wirklich sehr beeindruckend.
Nachdem wir die Wand geschafft haben, ziehen die Kilometer schneller dahin und gleichzeitig wird die Landschaft immer atemberaubender. Die letzten 4 km sind wie der Zuckerguss dieser Torte. Die Schönheit dieses Ortes lässt uns die harte Arbeit, die unsere Beine ausgehalten haben, fast vergessen genau wie den kalten Wind, der unsere Wangen frieren lässt. Wir kommen an Schneepflügen vorbei, die in die entgegengesetzte Richtung fahren genauso wie Autos mit Schnee auf den Dächern. All das sind Zeichen, dass wir uns dem Gipfel nähern. Bald schon kommt der Schnee ins Bild, der die Straßenränder bedeckt und unsere Tour noch epischer macht.
Und schließlich sind wir da! Wir sind am Gipfel. Wir halten für fünf Minuten an und verewigen den Moment, indem wir ein Foto vor dem „Kühtai 2020 m“-Schild machen. Dann brechen wir auf, um uns mutig an den eisigen Abstieg zu wagen.
Ich genieße die Abfahrt jedes Mal. Ich mag dieses Gefühl der Freiheit, diese Sensation des Fliegens. Es erinnert mich an das Snowboardfahren. Heute jedoch lässt die Kälte meine Finger frieren und meine Muskeln spannen, wodurch die Talfahrt weniger angenehm ist als üblich. Glücklicherweise wärmt mich die Sonne mit samt der prachtvollen Aussicht ein wenig.
Diese Tour wird sicherlich die letzte des Jahres für mich sein. Die Kälte und der Schnee kommen schnell. I richte meinen Blick jetzt auf die bevorstehende Wintersaison. Jedoch hat mir der kleine Ausflug ein paar Ideen für neue Radsport-Abenteuer im nächsten Frühling gegeben. Warum nicht Innsbruck – Nizza?
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