Étienne Hubert: Paris bei Nacht

Auf dem Fahrrad liegt das Abenteuer hinter jeder Ecke - so auch in Paris im Winter. Folglich nahm ich zwei alte Kajakveteranen mit, um die Hauptstadt bei Nacht zu durchqueren. Ich versprach ihnen mehr als hundert Kilometer, viele Anstiege und eine Menge Pfade, die viele normalerwiese nicht einmal im Pariser Tageslicht befahren würden.

Beide hielten den Titel Kajak-Weltmeister in den vergangenen Jahren und verbrachten Stunden sowohl im Sommer als auch im Winter im kalten Wasser der Flüsse unter manchmal beängstigenden Bedingungen und waren schon lange Fans von großen Anstrengungen und harter Trainingsbelastung. Abenteuer ist ihr Brot und Butter. Trotz ihres fortgeschrittenen Alters weiß ich, dass sie immer noch die Energie in ihren Beinen haben und dass sie einfach im Sattel sitzen wollen mit dem Verlangen zu kämpfen und dem Willen, ihr Bestes zu geben.

Étienne Hubert: Paris by Night
Étienne Hubert: Paris by Night
Étienne Hubert: Paris by Night
Étienne Hubert: Paris by Night

Wir fahren abends um acht los in den Südwesten von Paris. In dem Tempo, in dem wir die ersten 15 Kilometer angehen, werden wir die Runde schnell schließen. Man entkommt diesem Ritual zu Beginn der Fahrt einfach nicht, ein kleiner Test, um die sportliche Verfassung zu beurteilen in der sich jeder Teilnehmer befindet. Jedoch verlangsamt Fast Food das Tempo, bevor wir in den Wald von Notre-Dame Sucy-en-Brie fahren, denn wir sind alle direkt von der Arbeit losgezogen ohne zu essen. Das bringt uns in das wohlbekannte Risiko alles zu essen, wenn man hungrig ist, und genau das tun wir: Hamburger, Pommes Frites und eine Coke, doch werden die nächsten Kilometer diese Kalorien verbrennen.

Normalerweise macht es Spaß in diesem Wald die einzelne Spur zu befahren, die Bodenwellen sind eine Formalität und die Abfahrt ist spielerisch. Jedoch wird das Szenario bei beginnender Nacht und mit dem Regen, der in den letzten Tagen über Paris gefallen ist, ganz anders. Schnell haftet überall Schlamm an, der den Reifen und Kurbeln zusetzt, so dass wir kaum noch treten können. Wir müssen schieben, den Dreck entfernen, versuchen für ein paar Meter weiterzufahren und wieder anhalten, um den Dreck zu entfernen. Unsere Füße baden bereits im Schlamm, und ich höre, wie sie mich verfluchen. Es ist elf Uhr abends, und unsere Tachos zeigen lediglich 25 km. Die Nacht wird lang werden.

"Als wir über Château de Vincennes ins Pariser Zentrum zurückkehren, schlage ich eine kurze Pause bei meinem guten Freund Bertrand (Medaillengewinner im Judo bei den olympischen Spielen in Barcelona) am Olympe Sports Café zu machen, um unsere Trinkflaschen aufzufüllen.

„Wir trödeln nicht. Wir haben immer noch einen weiten Weg vor uns.“"

Étienne Hubert: Paris by Night
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"Wir sind dabei in die Falle zu geraten, als ich die Bar verlasse. Die Trinkflaschen mit Wasser wurden durch drei Pints Bier ersetzt. Als der Boss uns dann noch drei Schnapsgläser Rum serviert, schnappt die Falle schließlich zu. „Jetzt ein Moment der Euphorie, dann ein Geschwindigkeitsabfall…“"

Zu dieser Zeit, es ist rund Mitternacht, gehen normale Leute gerne ins Bett. Wir sind aber keine normalen Leute, besonders nicht an diesem Abend. Es sind noch 50 km zu fahren und ein Besuch der klassischen Pariser Sehenswürdigkeiten wie Baltard, Château de Vincennes, Pigalle, Montmartre, Madeleine, Champs Élysée und Place de l'Etoile ist schlichtweg unverzichtbar.

Mit den Reifen voller Schlamm nachts auf dem Rad nimmt alles eine neue Dimension an und birgt eine mystische Qualität. Im Kontrast zum Paris während des Tages, das wir in und auswendig kennen, bietet diese dunklere und ruhigere Stadt etwas Faszinierendes.

Étienne Hubert: Paris by Night
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„Haben Sie geschlossen? Hätten Sie nicht vielleicht genug übrig, um uns drei Kebabs zu machen?“ Gerade habe ich die Versorgung mit einer Delikatesse ausgehandelt, die bis zum Ende dieser Fahrt reichen wird.

Wir fahren zurück auf die Route und überqueren Bois de Boulogne mit hoher Geschwindigkeit, ein Rad neben dem anderen. Die Wege und Straßen gehören uns zu dieser Nachtzeit. Die Küste von Saint-Cloud ermöglicht es uns zu kontrollieren, wie viel Energie wir noch haben, um die letzten 30 km bis zum Ziel zu schaffen. Was uns als Nächstes erwartet, ist eine frenetische Wiederkehr. Mit dem Wind in unserem Rücken fahren wir entlang der Ufer der Seine. Die meisten Leute wollen nicht länger draußen sein, und wir lassen uns selbst von der Geschwindigkeit und dem Geräusch unserer Reifen auf dem Schotter hinwegtragen.

Der Eiffelturm und die Wasserwege im Herzen von Paris jedoch veranlassen uns spontan das Tempo zu reduzieren. Wir fühlen uns privilegiert, diese Plätze zu solch ungebührlicher Stunde zu sehen. Wir bummeln um die Louvre Pyramide.

Es ist 3 Uhr morgens, als wir unsere Quartiere erreichen. Das Verlangen nach dem Bett ist am stärksten. Morgen können wir uns dann um die Räder kümmern. Doch ist es bereits morgen…in vier kurzen Stunden schellt der Wecker, um uns zurück in die Realität zu führen. Dann werden uns unsere schmerzenden Beine daran erinnern, dass die Durchquerung von Paris weder Traum noch Albtraum war, sondern ein komplett anderes Erlebnis.

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