Der Night Rider

In dieser berauschenden Ecke der Erdkugel können die Temperaturen 40 °C während des Tages erreichen bei einer Luftfeuchtigkeit von 90 %. Ohne auch die kleinste Bewegung zu machen, bringt dies die unangenehme Empfindung permanenter Feuchtigkeit mit sich. Es ist das was die Briten wohl „close“ nennen würden, also eine Mischung aus schwül und stickig.

Wenn Sie am Tag hier herausfahren, werden Sie von dem Sonnenschein der Vereinten Arabischen Emirate fast erschlagen, während der UV-Index neue Höhen erreicht. Die Strahlung wirkt wie die Grilleinheit eines gigantischen Toasters, der nackte Haut innerhalb von Minuten verbrennt. Die klimatisierten Gebäude des urbanen Luxus sind regelrechte Zufluchtsorte, ohne die es unmöglich wirkt zu überleben. Doch etwas weiter in der Wüste scheinen die Einheimischen dieses Phänomen der Hitze und Feuchtigkeit zu meistern. Sie sind weiß gekleidet und nutzen jede schattige Ecke sowie auch nur den kleinsten Luftzug.

Im Mittleren Osten bedeutet Rad fahren, von Juni bis September den Hometrainer zu benutzen samt besagter Klimaanlage und die Welt da draußen aufzugeben. Es sei denn, man wählt die Nacht zum Fahren. Die Idee ist nicht so absurd, wie sie klingen mag, denn viele ergreifen sie, um weiterhin draußen Rad fahren zu können, auch wenn das bedeutet, anders zu leben als der Rest der klimatisierten Welt. Der Gipfel der extravaganten Infrastruktur hier in Dubai sind Kilometer an Radwegen, die die ganze Nacht beleuchtet sind und es den Radsportlern ermöglichen zu fahren und so das Abenteuer der Nacht in eine echte Attraktion verwandeln.

Allein die Vorstellung, unter den Sternen durch die Nacht zu brausen, wenn ein großer Teil der Stadtbevölkerung schläft, ist faszinierend. Hier darf man darauf hoffen, bei einer akzeptablen Temperatur von 28 °C zu fahren. Sie sollten allerdings gegen Mitternacht aufbrechen. Zu dieser Zeit verlangsamt sich der Verkehr und kann auch gänzlich abebben. Die Stadt wird zu einem Vergnügungspark, in der die Nacht aufgrund der surrenden Beleuchtung von oben und unten nicht wirklich durchkommt. Doch erscheint diese Erfahrung künstlich und ziemlich einsam, da niemand sonst Sie umgibt. Trotz der Anstrengung, die das Treten in die Pedale erfordert, kommt es Ihnen wie ein Traum vor.

Wenn man die gelben Streifen der Straßenmarkierung unter den Rädern über Meilen sieht, erinnert das an das unverwechselbare Gefühl, Tag für Tag Rennen zu fahren - Rennen, in denen man immer wieder gegen Müdigkeit und die Elemente kämpfen muss. Das ähnelt den Halluzinationen, die über einen kommen, wenn Ihr Geist auf Autopilot stellt, wenn der Körper nichts weiter als eine Maschine ist, um lediglich so schnell wie möglich und so weit wie möglich weiterzufahren. Genau wie bei den Rennen können wir in dieser einsamen Atmosphäre nicht stoppen. Der Schlaf ist für diejenigen, die nicht fahren. Der Schlaf ist für die Uneingeweihten.

In der Ferne vermischen sich die Lichter der größten Gebäude der Welt mit denen der Sterne. Von hieraus könnte der megawattgetränkte Nimbus mit dem Mond verwechselt werden, während man den Mond für eine Straßenlampe halten könnte. Um mich herum gibt der Sand die Wärme wieder ab, die er während des Tages gespeichert hat. Wenn Sie auf dem Bike unterwegs sind, können Sie lediglich von dem bisschen Luftstrom profitieren. Sobald Sie Ihre Maschine anhalten, erscheint die Atmosphäre schwer und die Briten würden sagen: „very bloody close“, also so etwas wie: „wahnsinnig schwül und verdammt stickig.“

70 Kilometer in etwas mehr als zwei Stunden, das ist nicht wirklich ein langer Ausflug, gemessen an Ex-Profi-Standards, allerdings ist dies hier beinahe ein Luxus zu dieser Jahreszeit. Ein Luxus, der es erfordert, wach zu bleiben, ein Luxus, der sich vielleicht in einen bedauerlichen Schmerz verwandelt oder zwei Schmerzen, wenn der Wecker in ein paar Stunden von jetzt an schellen wird …

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