JÉRÔME COUSIN: VOM PELOTON IN DIE WÜSTE
Vor weniger als einem Jahr war Jérôme Cousin noch ein professioneller Rennradfahrer. Er fuhr bei einigen der größten Weltrennen mit, inklusive der Tour de France. Jetzt fährt er durch die Wüste mit einem bepackten Fahrrad. Jérômes einzige Zuschauer sind vereinzelte Bauern und ihre Kamele. Ohne Stoppzeiten, ohne Team-Cars, ohne den Renndirektor, der Anweisungen durch ein Megafon schreit – dies ist der Gegensatz seines früheren Lebens, und er scheint es zu genießen.
Um in die Vereinigten Arabischen Emirate zu gelangen, fliegt jeder nach Dubai, die Stadt der luxuriösen Superlativen, die Stadt, deren Gebäude den Himmel berühren, die Stadt, die Vegas wie einen Wohnwagenpark aussehen lassen könnte. Allerdings liegt Shawqa 150 Kilometer davon entfernt, in direkter Richtung zum Golf von Oman. Shawqa ist ein Platz für unerschrockene Wanderer und Mountainbiker, die sich für ein paar Stunden während der Wintersaison, wenn die Temperaturen nicht 30 Grad übersteigen, in den Sand wagen.
Shawqa wird die Startrampe für Jérômes zweitägige Tour durch die Wüste sein, mit einem Minimum an Gepäck, einer Menge Wasser und der einzigen Auflage, für den Abend einen Platz zum Schlafen zu finden. Das Ziel für Tag eins ist nach Al Dhaid zu gelangen, eine Stadt, die etwas mehr als 100 km von hier entfernt liegt. Sie muss erreicht werden, bevor es dunkel wird. Etwas mehr als 1000 Höhenmeter gilt es laut Internet auch zu überwinden. Was der online gefundene Reiseplan jedoch nicht verriet, war der riesige Straßenabschnitt, der durch die Wüste verlief und die Topologie komplett veränderte.
Ja Jérôme, du musst dich anpassen, du wirst das Rad tragen und selbst am Rand dieses Highways fahren müssen. Der Tag ist lang. Navigation in der Wüste, selbst mit elektronischer Assistenz, birgt ihren Anteil an Überraschungen.
Manchmal sind die Straßen nur halbfertig, an einer anderen Stelle haben sich Farmen angesiedelt, wo bis jetzt ein Fahrradweg eingezeichnet ist. Wiederum an anderen Abschnitten sind die Pfade hügelig, stellenweise sind sie sehr schnell, kurz gesagt das perfekte Terrain für eine Gravel-Tour, in der auch die Landschaften atemberaubend sind.
Er ist durstig, ihm ist heiß und er hat Hunger – da sind die Fruchtstände ein Geschenk Gottes, und das scharfe Hühnchen und der Gemüsereis haben wirklich zwei Michelin Sterne verdient, denkt er. Vielleicht ist er auch etwas freizügiger aufgrund seines leeren Magens. Als er am Abend an der Stadtgrenze von Al Dhaid ankommt, ist die Atmosphäre mondähnlich und Jérôme schwebt förmlich in der klaren Abendluft. Der Sonnenuntergang färbt den Sand orange, und die Wüste hält, was sie verspricht.
Das einzige Hotel im Dorf wird sich weigern, den staubigen Fahrradreisenden aufzunehmen. „Complete“ wiederholt der junge Angestellte in seinem abgetragenen Anzug, während er das Bike und den Fahrer beäugt. Jetzt werden die Dinge kompliziert… Die Inder, die das Restaurant betreiben, bieten Jérôme ein Bett in ihren zwei Zimmern an. Dort leben bereits sieben Personen, jedoch gibt es einen Platz für ihn, wenn er will. Großzügige Leute – die Reise macht uns mit den Realitäten von anderen Menschenleben bekannt und manche davon erscheinen viel schwieriger als anderswo.
Als er am nächsten Morgen Al Dhaid verlässt, erscheinen wenige Kilometer später einige Kamele. Es ist Renntag auf der Rennbahn von Al Dhaid und hunderte von Kamelen werden für den Start vorbereitet. Das Rennen gehört zu den größten Traditionen der Beduinen. Hier sind reiche Kamelbesitzer bereit ein Vermögen auszugeben, um das perfekte Tier zu erwerben, das fähig ist, schnell zu rennen und diese ruhmreichen Wettkämpfe zu gewinnen.
Die Kamele werden von erstaunlichen kleinen Robotern geritten, die ferngesteuert betrieben werden, um Stimmkommandos abzugeben oder die Peitsche zu schwingen. Sie ersetzen die Kinder, die bis in die 2000er ein enormes Risiko auf sich nahmen, um mit dem Kamel um den Sieg zu kämpfen. Die Show ist faszinierend.
Der Untergrund ist jetzt zu weich geworden, um sitzend auf dem Rad zu fahren. Jérôme muss absteigen und das Bike für etliche Kilometer schieben. Es ist Zeit an einem örtlichen Geschäft anzuhalten, um Wasser und Süßigkeiten zu kaufen sowie ein Foto mit dem Verkäufer zu machen. Der Verkäufer sieht diesen Reisenden neugierig an, der alleine die Wüste durchquert, noch dazu auf einem Fahrrad.
Die letzten Kilometer, nachdem er die Grenze zum Oman passiert hat, sind zermürbend. Die hügelige Strecke hat sich in einen steinigen Pfad verwandelt, der einem Flussbett ähnelt oder einem Weg, der an einer Bergseite heraufführt. Wieder heißt es, von de Pedalen zu gehen und sein Bike zu schieben. Die Hitze ist erdrückend geworden, und die Wasservorräte leeren sich gefährlich. Das letzte Auffüllen scheint lange Zeit her gewesen zu sein.
Doch plötzlich endet die Reise, wo sie anfing, und das Wasser der Flasche, die Jérôme im Auto gelassen hatte, ist kochend heiß. Unmöglich damit diesen unglaublichen Durst zu stillen. Jérôme findet eine Tankstelle und Wasser - kaltes durstlöschendes Wasser - eine Belohnung, die man vielleicht unter anderen Umständen als selbstverständlich ansehen mag. Diese Rundtour von beinahe 200 km transportiert ihren Teilnehmer in zwei Tagen buchstäblich in eine andere Zeit und vielleicht auch auf einen anderen Planeten.
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