Café du Cycliste: Gravel in Greyerz

Endlich ist Wochenende und es ist an der Zeit, Körper und Ausrüstung auf einem kleinen Ausflug nach Greyerz zu testen. Also bringen wir Athleten unterschiedlicher Disziplinen zusammen: Annabel Fisher, die Profi-Radsportlerin und Gewinnerin vieler Rennen in diesem Jahr; Étienne Hubert, den Kanuten aus der Caravan-Truppe sowie Adrien Liechti, der Fahrradkurier aus Genf, der einer der besten Spezialisten im Bereich der Langstrecken-Rennen geworden ist. Diese drei werden bei dieser Entdeckungsreise in den Schweizer Alpen dabei sein.

Der Greyerzbezirk liegt im Kanton Freiburg und ist wegen seiner Kühe, Bergweiden und dem Greyerzer Käse bekannt. Der kleine schweizerische Bezirk von lediglich 500 km² ist eine beliebte Gegend bei Radsportlern, die die natürliche Schönheit und die Vielzahl von Anstiegen lieben. Auch bei nahezu unaufhörlichem Regen offenbart uns Greyerz seinen alpinen Charme, obschon etwas nass und matschig.

Gravel Gruyere
Gravel Gruyere
Gravel Gruyere
Gravel Gruyere

Als wir unsere Reise von einhundert Kilometern mit 3000 zu überwindenden Höhenmetern beginnen, nähert sich ein merkwürdiger Lärm aus dem angrenzenden Wald: Schreie, Glocken und Hufschläge. An diesem letzten Samstag im September im Greyerzbezirk ist es Zeit für den Almabtrieb oder den Alpabzug, wie er auf Schwyzerdütsch genannt wird. An diesem Tag werden die Herden ins Tal geführt, nachdem sie vier Monate auf höheren Weiden gegrast haben. Zu dieser Zeit im Jahr bekommen die Ortsansässigen die Gelegenheit, die Kühe mit ihren schönsten Kuhglocken zu schmücken, sie mit Blumen zu krönen und die Eleganz ihres etwas nonchalanten Gebarens zu bewundern.

Die Aussicht von den Schweizer Bergen gleicht einem Postkartenmotiv. Alle Holzhütten sehen wie das ideale Eigenheim aus, die grünen Wiesen scheinen wöchentlich gemäht zu werden, die Bäche glitzern und funkeln, während die immergrünen Wälder der Landschaft eine wohltuende Ruhe verleihen. Selbst die Kühe scheinen wie vom Schweizer Tourismusverband gecastet zu sein. Wir stellen uns vor, wie dieser Ort im Sonnenschein aussehen muss …

Dieser erste kleine gepflasterte Weg, der hinauf zum Teysachaux führt, gibt den Ton an. Hier sind alle Hänge steil. Diese hohen Steigungsgrade folgen auf der gesamten Route relativ dicht hintereinander, und das macht diese Tour nur noch epischer. Trotz der Schönheit dieser Landschaft baut sich Milchsäure auf sowie das Verlangen, nach weiteren Gängen zu suchen. Diese Steigungen greifen unaufhaltsam die Moral an, und der Regen tut dabei sein Übriges. Die Suche nach Halt auf den nassen Steinen ist unaufhörlich, während das Wasser über das Gesicht auf die Alizée-Jacken und an den Beinen entlang rinnt, um sich schließlich seinen Weg in die Schuhe zu bahnen.

Gravel Gruyere
Gravel Gruyere
Gravel Gruyere
Gravel Gruyere

Diese zusätzliche Nässe spielt mit den Nerven der weniger Tapferen. Annabell jedoch erklimmt die Pfade mit befremdlicher Leichtigkeit und unser Kanute scheint das Wasser überhaupt nicht zu spüren. Obwohl diese zwei athletischen Größen fast gar nichts zusammenführt, Étienne hat schließlich fast das doppelte Gewicht unserer Profiradsportlerin und auch die Fahrstile der beiden unterscheiden sich nahezu diametral, so ist ihre jeweilige Effizienz doch überzeugend und beeinträchtigt den Rest der Truppe. Sie werden oben auf uns warten.

Wir gruppieren uns neu und machen im Städtchen Greyerz, das in dieser Gegend recht lebhaft ist, Pause. Das moderne Gebäude, das wir am Straßenrand sehen, ist eine Molkerei. Appellation d'origine protégée, AOP, die geschützte Ursprungsbezeichnung bedeutet nicht notwendigerweise, dass es keiner Herstellungsprozesse bedarf, und so schauen wir uns den beeindruckenden Keller an, in dem Hunderte von Käselaiben dieser weltberühmten Käsesorte lagern. Ein kleiner Gabelstapler scheint in seinem kuriosen Tanz einzig damit beschäftigt zu sein, die Käselaibe um 180° in der Horizontalen zu wenden. So hungrig, wie wir sind, hätten wir keine Angst, einen ganzen Laib zu verschlingen. Die kleine mittelalterliche Stadt, die etwas oberhalb der Käsefabrik liegt, ist aufgrund der ruhigen Gassen, die für flanierende Fußgänger reserviert sind, sowie natürlich wegen seiner gastronomischen Anziehungskraft durchaus einen Abstecher wert.

Bemerkenswerterweise gibt es hier nicht weniger als vier Museen, einschließlich dem wohl unglaublichsten von ihnen, der Museumsbar von Hans Rudolf Giger. Dieser Künstler ist ein Vertreter des biomechanischen Stils und war unter anderem Szenen- und Kostümbildner für Ridley Scotts Sci-Fi-Horrorfilm Alien. Adrien Liechti ist ein leidenschaftlicher Anhänger Gigers. Er schmeißt sein Rad hin und zieht uns hinein in diese Bar aus einer anderen Welt. Wir konnten hier keine Fotos machen, deshalb müssen Sie leider selbst nach diesem Ort suchen. Adrien ist so fasziniert von der Alien-Saga, dass er sich ein von Giger gemaltes Bild auf den Körper tätowieren ließ. Abermals obliegt es Ihnen, dieses Tattoo selbst zu betrachten, wenn Sie ihm irgendwo in dieser tückischen Galaxie begegnen.

Gravel Gruyere
Gravel Gruyere
Gravel Gruyere
Gravel Gruyere

An unserem Abendlager, einem improvisierten Zeltlager im Keller der Bodenstation einer Seilbahnparkbucht, zogen wir es vor, Adrien über seine Erfahrungen bei den Langstrecken-Rennen zu befragen. Nachdem wir den ganzen Tag klatschnass verbracht haben, fühlen wir uns nun in warmer und trockener Kleidung wohl. Wir wissen nicht wirklich, was die Augen von Radsportlern, die sich in der Dunkelheit eines Kellers versammelt haben, funkeln lässt, aber die spannenden Geschichten Adriens in Kombination mit einer kleinen Metallflasche Génépi (einem Kräuterlikör, der in den Alpen beliebt ist), die von Hand zu Hand gereicht wird, sind dabei zweifellos hilfreich.

Unsere Radsport-Kleider mitsamt den Schuhen sind am frühen Morgen nicht gerade trocken. Doch ist das wirklich ein Problem? Die Hauptsache ist, sie erfolgreich anzulegen, auch wenn sie nass sind. Denn trotz der ermutigenden Wettervorhersage wird es den ganzen Tag über regnen. Der Col de Jaman stellt die letzte Schwierigkeit des heutigen Tages dar, aber definitiv nicht die geringste, und einmal mehr lassen uns die Prozentzahlen der Steigung erschaudern.

Darauf gestaltet der Regen die Abfahrt nach Les Paccots etwas tückisch, sodass die Bremsen von Zeit zu Zeit gefährlich quietschen. Abschließend als finale meteorologische Provokation taucht in dem Moment, als wir in das Dorf hineinrollen, die Sonne auf. Ende der Reise. Adrien und Annabel sind unermüdlich und noch nicht genug gefahren. Also brechen sie auf, um den nächsten Bergpass in Angriff zu nehmen. Sie fühlen sich wohler auf ihrem Fahrrad als auf ihren Füßen.

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