SHAKE IT UP #3

Als ich mich über die Route erkundigte, sagten die Leute von Café du Cycliste zu mir: „Seien Sie bitte vorsichtig, das ist kein Spaziergang! An manchen Stellen ähnelt die Strecke mehr einer Wand, als einem Weg…“ Da ich immer nach einem originellen Vorschlag für eine Gravel-Route rund um Nizza suche, bin ich daran gewöhnt, hier und da mit den Ortsansässigen zu reden, um neue Ideen zu finden. Dieses Mal bin ich mir nicht sicher, dass deren Vorschlag gut war.

Als ich den Hafen verlasse und den Weg hoch zum Mont Boron einschlage, sieht alles noch wunderbar aus. Das Blau des Himmels ähnelt dem der See, jedoch erkenne ich in der Ferne ein paar Wolken an den Bergausläufern, die einen möglichen Wetterumschwung ankündigen.

Ungefähr 15 Minuten später erreiche ich die Spitze des Col de Villefranche. Um zu dem Gravel-Pfad entlang des Berghangs zu gelangen, musste ich eine enge Straße zwischen Häusern nutzen - ein versteckter Pfad, den nur Eingeweihte kennen. Obwohl ich die Route auf meinem Display habe, sind einige der Kurven so merkwürdig, dass sie mich immer wieder überraschen. Schon ein paar Minuten später fahre ich hoch über Nizza auf einem schattigen Pfad, der von Kiefern geschützt wird. Im Parc du Vinaigrier klettre ich genüsslich zwischen Olivenbäumen. Ich befinde mich bereits 300 Meter oberhalb des Meeresspiegels, als ich am Col de Quatre Chemins ankomme. Ich fahre über die Spitze in Richtung Trinité und beginne den höllischen Teil meines Tages.

Es gibt dort eine Einladung für Fußgänger, um die Barriere herumzugehen und den kleinen Weg, der zum Col d’Èze führt, heraufzugehen. Nichts wurde wirklich für Radfahrer angepasst, und ich werde schon bald verstehen warum… Der Weg besteht aus Betonasphalt mit genügend Furchen, die es dem überschüssigen Wasser an regnerischen Tagen ermöglichen, abzulaufen und die steilen Hänge herunterzufließen. Mein Gravel-Rad eignet sich ideal für diese Art von Pfad. Plötzlich beginnen die ernsten Angelegenheiten, denn es dauert nur ein paarhundert Meter, bevor der Hang richtig dramatisch wird. Man kann dies kaum einen Anstieg oder Hügel nennen, sondern schlichtweg eine Wand! Ich drücke hart in die Pedale, doch der Steigungsrad nimmt einfach nicht ab. Ich sollte wirklich nicht stoppen. Ich sollte wirklich keinen Fuß auf den Boden setzen. Es wäre absolut unmöglich wieder in die Pedale einzuklicken und die geringste Dynamik wieder aufzunehmen, um wieder anzufahren. Anhalten ist heute einfach nicht erlaubt.

Da gibt es ein paar Häuser am Straßenrand, und ich frage mich ernsthaft, wie Menschen diese täglich erreichen können. Ich kann mir auch nicht vorstellen, wie ein Auto auf einem derart unvorstellbaren Hang zurückfahren kann. Dafür bräuchte man schon eine Menge Können und Selbstkontrolle. Soweit es mich angeht, so brauche ich Kraft. Ich mache weiter und ziehe so hart mit meinen Armen, wie ich in die Pedale drücke. Mein Bike beginnt trotz all meiner Anstrengung im Zickzack zu fahren und sich aufzubäumen. Kurz nach Kilometer 14 erreicht der Steigungsgrad seinen Höhepunkt. Vielleicht ist das nicht das Maximum, was physisch auf dem Rad machbar wäre, aber es ist das Maximum, das die Physik erlaubt: Auf einem Abschnitt werden 37 % angezeigt. Mit noch mehr Steigung wäre ich unsicher, ob man es überhaupt schaffen kann, sich derart nach vorne zu lehnen, um das Bike auf beiden Rädern zu halten!

Das Ende des Pfades ist absolut fabelhaft. Die Steigung erlaubt mir schließlich die Umgebung zu genießen: Wiesen, wunderschöne grüne Bäume, diese alten Steinmauern im Schatten der Bäume… Ich erreiche den Col d‘Èze und fahre zurück nach Nizza auf einer alten, steinigen Militärstraße, die den meisten Wanderern und Mountainbikern bekannt ist. Dieser Weg verläuft hoch oberhalb des nördlichen Tals von Nizza und bietet einen atemberaubenden Ausblick auf die Gipfel des Mercantour-Bergzugs.

Bei meiner Ankunft zurück im Café ist das Wetter endgültig in Grau umgeschlagen. Alles, was ich für den Mann hinter der Bar, der gesehen hat, wie ich vor etwas mehr als einer Stunde aufbrach, noch zustande bringe, ist eine Grimasse. Seine zutreffende Einschätzung der Route klingt mir noch in den Ohren – und ich fühle sie in den Beinen.

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