Die Tour des Monats: die 20. Etappe der Tour de France 2024

Im Juli 2024 wird zum ersten Mal in der Geschichte der Tour de France das berühmteste Etappenrennen nicht in Paris enden. Stattdessen findet der finale Zieleinlauf in unserer Heimatstadt Nizza statt. Das kommt einer 180-Grad-Wende des großartigsten Rennens der Welt gleich. Die letzten beiden Etappen werden an der Côte d’Azur ausgetragen, und Sie sollten sie nicht verpassen.

Wir sind die Strecke der vorletzten, 20. Etappe gefahren - eine sehr bergige Route, die ein Quartett aus formidablen Seealpen-Anstiegen umfasst und durch eine Umgebung verläuft, die Café du Cycliste unaufhörlich inspiriert.

Das Ende mit dem Unterschied

Wir haben uns daran gewöhnt, dass die Grande Boucle in weit entfernten Orten in ganz Europa startet, Städte wie London, Kopenhagen und in diesem Jahr Bilbao. Diese Orte sind geweiht, um die Tour in ihrer Region willkommen zu heißen und ein internationales Geselligkeits- und Kulturfest zu bieten, von dem andere Sportarten nur träumen können. Bemerkenswert ist, dass das Rennen im nächsten Jahr von der italienischen Stadt Florenz aus zu einer Reise durch die Toskana aufbricht, um schon mal den Appetit anzuregen. Dies sind die Antipasti, die Vorspeisen darauf, was sicherlich ein weiteres elektrisierendes und spektakuläres Event auf zwei Rädern zu werden verspricht.

Dieses Rennen hat jedoch immer und ausnahmslos die Schlussetappe in Paris auf dem Kopfsteinpflaster der Champs-Élysées veranstaltet. Seit 1903 ist es das Ziel eines jeden Fahrers und eines jeden Teams, diese größte Odyssee des Radsports beenden zu wollen und es in die Stadt des Lichts (Paris) zu schaffen. Doch nun, zum ersten Mal in der Geschichte des Rennens, liegt das Schlussziel nicht in der Ville-Lumière (Paris), sondern hier an der Côte d’Azur in Nizza. Zu dieser Entscheidung kam es wohl hauptsächlich, um nicht mit einem weiteren großen Event zu kollidieren, das nächsten Sommer in Paris stattfinden wird: die Olympiade. So wird die Tour de France ein Finish ohne Gleichen erleben. Die Grand Boucle hat schon zuvor ihren Grand Départ in Nizza veranstaltet (1981 und 2020), aber niemals hat die Zieletappe hier unten in der Provence stattgefunden. Das war bislang allein Paris vorbehalten.

Alle Wege führen nach Nizza

Die beiden letzten Etappen, die im vergangenen Dezember von Christian Prudhomme mit dem Segen von Christian Estrosi (Bürgermeister von Nizza) und Fürst Albert II. von Monaco bekannt gegeben wurden, werden der Welt die Pracht des Radsportgebietes der Côte d'Azur und die Lebendigkeit ihrer Kultur und Gemeinschaft zeigen. Für die 20. Etappe wurde eine bergige Route von Nizza zur Spitze des Col de la Couillole entworfen. Sie beginnt an der Promenade des Anglais, die ihren Namen wegen der wohlhabenden englischen Touristen erhalten hat, die Nizza im 18. Jahrhundert besuchten. Von hier aus wird zunächst der Col de Braus, dann der Col de Turini und der La Colmiane in Angriff genommen. Die Etappe beschreibt 132 Kilometer mit 4500 Höhenmetern – eine wunderbare Bergetappe für die reinen Kletterer, die von der französischen Sport-Zeitung L‘Équipe als „verrückt“ bezeichnet werden.

Auch die letzte Etappe kann man nicht gerade als Zuckerschlecken bezeichnen. Das Rennen wird zum ersten Mal seit 1989, als Greg LeMond Laurent Fignon mit 8 Sekunden Vorsprung schlug, mit einem individuellen Zeitfahren abgeschlossen. Das war das knappste Finish in der Geschichte der Tour de France. Allerdings wurde dieses sogenannte „Rennen der Wahrheit“ auf einem flachen Kurs in Paris ausgetragen. 2024 wird diese finale Herausforderung bergig sein und die nizzaischen Anstiege La Turbie und den Col d’Èze umfassen. Wenn es in der Gesamtwertung eng wird, könnte dieses Rennen gegen die Uhr ein Finale werden, das spannender nicht sein könnte.

Routen und Kulturen

Zu Beginn unserer Vorbereitungen auf den nächsten Juli brechen wir auf, um die 20. Etappe zu erkunden, die ein wahres Achterbahn-Profil aufweist. Von der Distanz her erscheinen 132 Kilometer plausibel, doch wenn man die Bergpässe mit einberechnet, die zwischen Kilometer null und der Ziellinie liegen am Ende von drei Wochen Radrennen, dann ist die Etappe schon ein ordentliches Stechen in den Beinen, und für uns Normalsterbliche auf Erkundung war dies ein gewaltiger Tag für Beine und Lungen.

Nach zwei, vielleicht drei Espressi brechen wir vom Hafen aus auf und biegen auf ein paar ausgewählte Straßen von Nissa La Bella. Wir fahren dicht am Café du Cycliste Hauptsitz vorbei sowie dem Matisse Museum. Hierauf geht es auf ins Bergige mit einem kleinen Appetizer, dem Col de Nice. Dieser Hügel der 3. Kategorie mag hungrige Radsportler sehen, die hier ihren morgendlichen Alltagsausbruch suchen, während andere lediglich hoffen, mit einer Gruppe mithalten zu können. Jedenfalls bringt uns hiernach eine kurze Talfahrt zum Col de Braus.

Die Fahrt mit René

Dieser westliche Anstieg des Col de Braus war insgesamt 30 Mal Bestandteil der Tour de France und auf seine Serpentinen folgt ein Kilometer, der 10 % Steigung aufweist. Dieser Gradient wird den Fahrern nach 3 Wochen im Sattel sicherlich zu schaffen machen. Doch wird ihnen vielleicht mit der Aussicht auf die Überquerung der Ziellinie am nächsten Tag das Adrenalin helfen. Braus ist eng verbunden mit René Vietto, der hier als Lokalmatador aus Cannes sein erstes Rennen 1931 gewann. Die lange Abfahrt nach Sospel ist eine wohlplatzierte Atempause, denn das nächste Hindernis ist kein Geringeres als der Col de Turini (1604 m) mit 24 Kilometern, die unablässig und erbarmungslos bergauf führen.

Auch die Rally Monte Carlo führt hier herauf, weshalb man dicke Reifenspuren auf dem kurvenreichen Asphalt sieht. Es ist eine Plackerei, bis man die 1600 m über dem glitzernden Ozean geschafft hat, aber es lohnt sich wegen der herrlichen Aussicht und der kristallklaren Luft, falls man die Zeit und den Atem hat, alles auf sich wirken zu lassen.

Eine Stärkung vor der Attacke

Die Abfahrt nach La Bollène-Vésubie ist technisch anspruchsvoll und schwierig, also haben wir es ruhig angehen lassen. Doch ist das Dorf, das auf einer Klippe thront, allemal einen Blick wert. Weil wir weniger Zeitdruck haben als jemand, der vorhat, die Tour de France zu gewinnen, nutzten wir die Gelegenheit, um eine kurze Pause für ein Pan Bagnat zu machen und uns etwas zu erfrischen. Eigentlich sollten auch die Fahrer der Grande Boucle sich die Zeit nehmen, um etwas zu essen, denn auf den verbleibenden 75 Kilometern gilt es, 2000 Höhenmeter zu erklimmen. Die endlose falsche Ebene, die das Vésubie-Tal hinaufführt, war kräftezehrend, brachte uns aber zum Fuß des nächsten Anstiegs, dem Col de la Colmiane. Als wir seine 1503 Höhenmeter erklommen haben, spüren wir den Schmerz in den Beinen.

Die Rennentscheidung

Jetzt, im Herzen des Mercantour-Nationalparks, wird die lange Talfahrt nach Saint-Sauveur-sur-Tinée wohl die letzte Verschnaufpause für die Rennfahrer sein. Das Dorf läutet den Beginn des finalen Anstiegs auf den Col de la Couillole ein, dem höchsten Punkt der Etappe mit seinen 1678 Metern, an dem sich auch die Ziellinie befinden wird. Dieser zermürbende 16-Kilometer-Anstieg mit einer durchschnittlichen Steigung von 7,5 % könnte sich als brutales Schlachtfeld erweisen und wird wohl entscheidend für den Ausgang des Rennens sein. Für uns war es mehr als genug für einen feuchten Dienstag im Juni. Als wir es einmal zur Spitze geschafft hatten, luden wir dankbar unsere Fahrräder in den Kofferraum des Mietwagens unseres Fotografen. Eine Orangina® für jeden.

Das bunte Spektakel rollt auf uns zu

Hoffen wir nur, dass die Seealpen, unser lokaler majestätischer Abenteuerplatz, die perfekte Kulisse für diese Art von Drama sein wird, das nur die Tour de France bieten kann. Die Côte d’Azur ist für viele die Wiege der Radsportkultur und ein Gebiet, das sowohl das wunderschöne Meer als auch die Berge zu bieten hat und auch von einer wunderbaren Küche sowie historischen Faszinationen geprägt ist. Nizza wird nächsten Sommer das Epizentrum des Radsports für die ganze Welt sein, und so sollte es auch sein. Wenn Sie an den Straßen-Radsport in Frankreich denken, hören Sie die Zikaden zirpen, Sie riechen den Kiefernwald sowie Lavendel und frisch gebackene Socca, und Sie fühlen die Ozeanbrise auf Ihren Händen und im Gesicht.

Sie fahren durch eine Stadt an der provenzalischen Küste und sehen eine Vision von Jacques Anquetil, dem französischen Radrennfahrer, um den wahrscheinlich die meisten Mythen ranken. Ein Mann mit einem Haar-Stil, der besser ist als alles, was Wout van Aert aufbringen könnte. Anquetils Stil und sein Hollywood-Gehabe verkörperten die goldene Ära des Nachkriegsradsports. Er lebte und trainierte an der Riviera, und genau so tut es übrigens auch Tadej Pogačar … Heute befinden wir uns in einer weiteren goldenen Ära des Radsports, und Café du Cycliste ist äußerst stolz darauf, eine nizzaische Firma zu sein in einer Stadt, die im Herzen dieser Renaissance liegt. Wir können es kaum erwarten, das bunte Spektakel in unserem Nizza zu empfangen.

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