Die Tour des Monats | Jérôme Cousin und der Mont Macaron
Der Frühling ist nun offiziell da, die Uhren wurden vorgestellt, und der Hafen von Nizza ist dabei zu erwachen. Deckarbeiter schrubben und polieren die großen Jachten mit verschlafenen Augen, während daneben kleine bemalte Jollen seicht im Rhythmus der Wellen schwanken. Jérôme Cousin hält einen Espresso in der Hand und erläutert seine Vorliebe für das „langsamere“ Fahren, das er seit seinem Ausstieg aus dem Profi-Radsport im letzten Jahr praktiziert. Als dreimaliger Tour de France Teilnehmer und Etappensieger bei Paris-Nizza 2018 erscheint das entspannte Auftreten dieses Veteranen des härtesten Sports der Welt, wie das eines Piraten im Ruhestand. Da passt es, dass er an der Riviera nahe am Wasser lebt. „Jetzt habe ich mehr Zeit, mich umzusehen, wenn ich fahre und entdecke die Aussichten, die Leute und die Tierwelt.“
Das Ziel der heutigen Tour, die von den Creative Scouts Hugo und Thomas aus dem Café du Cycliste Team begleitet wird, ist eine Route für Jérômes neue Fahrrad-Reisegesellschaft Baroudeur zu erkunden. Zusammen mit seinem Ex-Team- und Tour-de-France-Kollegen Pierre Rolland beginnt Jérôme ein neues Kapitel in seiner Karriere. Die beiden ehemaligen Champions werden bald ihre ersten Touren lancieren und Routen durch ganz Frankreich und darüber hinaus anbieten, bei denen man die schönsten Radsport-Gebiete der Welt entdecken kann. Sie werden in der Nähe ihrer Heimat anfangen und Radsportler einladen, um ihr Know-how über die Côte d’Azur sowie die besten Strecken zu teilen, Anstiege zu genießen und Orte zu erkunden.
Auf dem heutigen Menü steht eine Rundtour auf gemischtem Terrain in das Hinterland von Nizza, die 65 km lang ist und 1600 Höhenmeter aufweist, auf dem Mont Macaron gipfelt und auch die Ruinen des Bergpasses von Châteauneuf-Villevieille umfasst. Obwohl die Sonne von Wolken verdeckt wird (und sich erst gegen Ende der Tour zeigen wird), ist das Wetter mild: kein Wind und kein Regen am Horizont. Alles ist bereit, jeder ist coffeiniert. Los geht’s.
Die erste Hürde des Tages ist unser alter Freund (und manchmal Feind), der Mont Baron. Er ist der klassische Anstieg für die Mittagstouren von Café du Cycliste, und die Aussicht über die Stadt Nizza und Saint-Jean-Cap-Ferrat ist prächtig. Wir gehen den Parc du Vinaigier an und erreichen die ersten Gravel-Abschnitte, bevor wir an der Spitze des Col de Quatre Chemins ankommen. Diese ist bei denjenigen, die am Paris-Nizza Rennen teilgenommen haben oder der Route des Rennens gefolgt sind, sehr bekannt. (Der Col des Quatre Chemins liegt auf halber Strecke hoch zum Col d’Èze, wo sich Tadej Pogačar in der neusten Auflage des Rennens zur Sonne den Sieg einheimste.)
Nach einer kleinen Abfahrt in das Tal folgen ein paar flache Kilometer, bevor es zum Angriff auf das Hauptziel des Tages geht, den Mont-Macaron. Ein 8 km langer Anstieg bei einem durchschnittlichen Steigungsgrad von 8 % mit herausfordernden Engen und einer Serie von Spitzkehren - alles auf steinigem Untergrund. Dies ist gewiss kein Zuckerschlecken und erfordert große Willensstärke und energiegeladene Beine.
Wir machen auf halber Strecke halt, um ein paar Selfies mit niedlich aussehenden Schafen zu schießen und genießen die Aussicht über die türkise See auf der einen Seite und den Gipfeln des Mercantour, die noch immer mit Schnee bedeckt sind, auf der anderen. Dann treten wir wieder in die Pedale bis zum Gipfel, um nach einer kurzen Abfahrt zum Pass der Ruinen von Châteauneuf-Villevieille zu gelangen, einer typischen Attraktion für Wanderer, Liebhaber des Gravel-Radsports und Fotografen.
Über uns ist es immer noch wolkenbedeckt und plötzlich hören wir Donner … Nein, da liegen wir falsch. Es ist das kumulierte Geräusch unserer knurrenden Mägen. Ein süßes Sandwich oder zwei (vielleicht mit ein paar ortstypischen Macarons) wäre an dieser Stelle willkommen, doch werden wir warten und unser Mittagessen auf der Terrasse zurück in Nizza genießen.
Die richtige Abfahrt dieses Bergpasses ist sehr schnell, und die Straße befindet sich in perfektem Zustand. Dann folgen weitere 5 km auf ebenem Asphalt. Wenn nur jeder Anstieg so sein könnte. Diese ansteigende falsche Ebene, die wir mit voller Geschwindigkeit verspeisen, führt uns nach Levens und zum dritten Gravel-Abschnitt des Tages.
Wir haben mittlerweile 40 km hinter uns und fahren allmählich zurück in Richtung Nizza, während sich auf dieser hügeligen Strecke Lehm- und Sandpfade abwechseln. Es ist wunderbar. Die Landschaften sind atemberaubend, besonders, da wir wissen, dass wir nur ein paar Kilometer von der Stadt und ihren rund 343 000 Einwohnern entfernt sind. Was uns noch mehr zufriedenstellt, ist, dass wir uns noch immer inmitten der Natur befinden – abseits vom Trubel der Metropole mit ihren Gebäuden sowie dem Lärm und Verkehr.
Ein letzter Anstieg auf einer asphaltierten Strecke in der Nähe der Gemeinde Aspremont bietet uns den letzten Gravel-Abschnitt des Tages. Wir geben alles, was noch an Energie übrig ist, auf dieser letzten, 2 km langen Hürde mit einer Steigung von 8 %, auf der Lehm und Sand das Vorankommen noch schwieriger machen.
Nach dieser finalen Herausforderung kommen wir auf halber Höhe des Hangs vom Mont Chauve an, bevor wir unsere Talfahrt nach Nizza beginnen. Wir sausen durch die wunderschönen Stadtteile Rimiez und Cimiez und befinden uns plötzlich zurück an unserem Ausgangspunkt, dem Café du Cycliste im Hafen von Nizza. Danach geht es ab zu dem ersten Restaurant, das wir finden können, um eine wohlverdiente Pasta zu verspeisen.
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