Riviera Gravel #3 – Sospel – Chemin de Paraïs – Col de Braus
Der Col de Braus ist einer der bedeutendsten Anstiege im gesamten Radsport, auch wenn seine Radrenngeschichte weniger gefeiert wird. Die Serie von Serpentinen, die auf seinem westlichen Ausläufer nistet, ist ein beliebtes Motiv für Postkarten und vielleicht eine der meist fotografierten Ecken im gesamten Radsport (zumindest in den mediterranen Alpen). Sie sind nicht nur ein perfekt angelegtes asphaltiertes Band, das sich kunstvoll an den Berghang schmiegt, auch von oben betrachtet, erkennt man, wie überraschend selten diese Anordnung gegenüber den anderen Bergpässen ist.
Und trotzdem hat der Col de Braus eine dunkle Seite. Auf der östlichen Seite des Berges windet sich ein wahres Gravel-Juwel, das aufgrund seiner berühmten asphaltierten Schwester oft übersehen wird. Wenn man von Sospel aus aufsteigt, ist die eigentliche Strecke, der Chemin de Paraïs, weder markiert, noch beschildert.
Wenn man nicht wüsste, dass er da ist, würde man ihn wohl kaum finden. Dies macht die Sache ein bisschen interessanter.
Sospel birgt eine turbulente, militärische Geschichte. Die Berge um das Dorf sind übersät mit Forts und Ruinen aus tausend Jahren voller Konflikte. So wurde das Dorf hin- und hergezogen zwischen Nizza und Ventimiglia, Frankreich und Italien, Okzitanien und Savoyen. Die Paraïs Piste ist ein Relikt dieser Konflikte und wurde als Weg für militärische Zugänge angelegt. Zur Zeit seiner Erbauung stand die Kanone an der Spitze der Militärtechnologie, und das Pferd war immer noch das wichtigste Transportmittel. Das bedeutete, dass eine Steigung von 8% beim Bau nicht überschritten werden durfte, da ansonsten die Pferde die Kanonen nicht aufwärtsziehen konnten. Dies hat zur Folge, dass uns heute ein dauerhaft gleichmäßiger Anstieg zur Verfügung steht. Obwohl die Piste 2km kürzer als der Straßenanstieg ist, findet man hier kaum Variationen und die Anstrengung lässt selten nach.
Sie beginnen den Anstieg auf dem Weg zum Col de Turini und fahren nach links am Maison du Miel und weiter zwischen den Häusern des Quartiers de Vasta. Die Gravel-Piste fängt in Sospel Mecanique an und beginnt mit einem konstanten Steigungsgrad, sobald man die erste der zwölf Spitzkehren zwischen den Laubwäldern des nach Norden gewandten Hangs erreicht. Im Sommer, wenn die Sonne den Straßenanstieg in einen mörderischen Glutofen verwandelt, sind diese Wälder ein Geschenk des Himmels und bieten ein kurze Atempause von der erbarmungslosen Hitze.
Die vierte Spitzkehre führt Sie zur südlichen, dem Tal zugewandten Seite des Hangs. Hier ändert sich die Vegetation und wandelt sich von Bäumen zu Büschen. Die Fahrrillen werden tiefer und weisen lose Kiesel und Fels auf, die kühle Überdachung durch den Wald liegt nun zurück und der Steigungsgrad der gesamten Strecke ist hier am größten. Dieser Zustand hält lediglich für einen halben Kilometer an, jedoch tun die Hitze, der lose Untergrund und der sprunghaft angestiegene Steigungsgrad ihr Möglichstes jemanden zu demoralisieren, zumal noch weitere 5 km Aufstieg zurückzulegen sind.
Wenn Sie Glück haben und es gerade geregnet hat, führt Sie die fünfte Spitzkehre zurück in den Wald und begrüßt Sie mit einem Wildbach der in das Herz des Tals hinunterfließt – Eine perfekte Stelle, um sich abzukühlen, wenn der Sommer den Bach nicht ausgetrocknet hat. Von hier an geht es stetig weiter bergauf, wobei der Steigungsgrad sich nicht verändert und die Oberfläche wieder etwas fester wird. An der sechsten Spitzkehre können Sie von der Piste abfahren und um den Berg herumfahren, um dann wieder auf den Straßenanstieg zum Bergpass zu gelangen. Oder Sie bleiben in den Wäldern und entscheiden sich für einen etwas längeren Anstieg zum Pas de l'Agréé, der 50 m oberhalb des Col de Braus liegt und fahren von da ab zum Col de Braus über einen schmalen einspurigen Pfad durch die Schafsfelder. Hinter einem Restaurant gelangt man wieder auf die Straße. (Falls Ihnen nicht nach einem einspurigen Pfad zu Mute ist, können Sie auch den Weg zum Col de Braus nehmen.)
Auf dem Bergpass, dem Col de Braus, können Sie sich erneut entscheiden. Die einfachere Option ist, dass Sie die Straße zurück nach Nizza nehmen, die Sie etwa 40km fast komplett bergab führt. Oder aber Sie können einen weiteren Gravel-Kurs einschlagen, indem Sie der Piste de Lavinia folgen, die Sie nördlich und südlich der Berggipfel nach Saint-Agnes führt. Im Sommer kann es sehr heiß werden und ziemlich wackelig zugehen. Es gibt nichts zwischen Ihnen und der Sonne. Allerdings hat die Piste nur einen seichten Steigungsgrad und man wird mit ein paar der besten Aussichten in Richtung Nizza belohnt.
Der Col de Farguet markiert das Ende des Gravel-Anstieges. Den Großteil des Jahres lassen hier Schäfer ihre Herden weiden. Dies ist eine gefährliche Angelegenheit wegen der örtlichen Wolfspopulation. Die Verteidigung der Schafe vor den Wölfen zehrt hart am Gemüt der Schäfer. Wölfe attackieren meist nachts gegen 3 Uhr, was die Schäfer dazu zwingt die ganze Nacht wach zu bleiben, zumal die Wölfe gelernt haben, wie sie die Hunde der Schäfer überlisten können. Wenn die Wölfe eine Runde gewinnen, ist es kein Wunder dass die Schäfer Ihren Ärger darüber ausdrücken, indem sie den Kadaver aus Protest zur Schau stellen.
Von Farguet aus geht es am Berg entlang zurück auf die Straße. Es gibt lediglich die Gemeinheit eines Anstiegs am Hang des Mont Ours, ein steiles Stück Asphalt, das einem wie ein Schlag ins Gesicht vorkommt, bevor schließlich die Abfahrt beginnt. Von hier aus geht es nur bergab, und Sie können der Straße hinunter zum Col de Banquettes und darauf nach Peille oder Saint-Agnes folgen.
Lesen Sie mehr über die abgelegenen Strecken, die Nizza umgeben in unserer Rubrik Riviera Gravel.
Fußnote: Fotografie & Text : Matt Wragg