Mit den Mimosen nach dem Frühling greifen
Jeder Frühling verzaubert diese Gegend der Provence, wenn die berühmten gelben Mimosenbäume im Tanneron- und Estérel-Massiv blühen. Nur ein paar Kilometer von Cannes entfernt, erstrahlt das Massiv, das das Mittelmeer überschaut, in Gold und duftet süß nach Honig und Vanille.
Die Pfade, auf denen unsere Maschinen uns tragen, haben sich in Tunnel aus Blumen verwandelt und bilden eine natürliche Ehrengarde, die stolz gegen das Blau des Himmels steht. Diese wunderbare Darstellung ist ein Heilmittel für die Sinne, die aus ihrem Winterschlaf erwachen.
Die Mimosa Scabrella stammt aus Australien und Tasmanien und blüht bei gemäßigten Temperaturen wie an der Côte d’Azur zu Frühlingsanfang. Sie wurde 1789 von den französischen Botanikern Charles Lois L’Héritier de Brutelle und Aimé Bonpland nach einer Südamerikareise hierher gebracht. Die Mimose [für den Brunch-Time-Cocktail, siehe auch 'Bucks Fizz'] umfasst 600 Arten.
Die Gattung hat sich hier in Südfrankreich als beliebte Dekoration in Gärten und Parks etabliert und wird von lokalen Gärtnern unter Ausnutzung der angenehmen Temperaturen und des kalkhaltigen Bodens angebaut. Ihre Blüten sind zart und empfindlich gegenüber Licht und Berührung. Die Route des Mimosas, eine 120 km lange Reise, die der Pflanze gewidmet ist, begrüßt jedes Jahr Tausende von Touristen.
Wir steigen mit unseren Rädern in den Regionalexpress von Nizza. Der Zug bringt uns nach Mandelieu, wo wir eine etwa 40 km lange Runde fahren werden.
Die Wettervorhersage kündigt Sonnenschein bei angenehmen 15 °C an, und so liegt ein vielversprechender Morgen vor uns. Direkt nach dem Verlassen des Bahnhofs leitet ein Feldweg unsere Bikes einen steilen Hang hinauf, der in geringer Entfernung zu den Behausungen verläuft, die hier im späten 20. Jahrhundert aufsprossen. Jeder hat eine klare Sicht über das Meer, während wir südwärts fahren und gemessen an den Autos die vor diesen modernen Häusern parken, ist dies ein Resort, der für eine privilegierte Klientel reserviert ist.
Der Grand Duc erhebt sich auf eine Höhe von 500 Metern und enthüllt dabei allmählich das funkelnde Blau des Meeres von Nizza bis nach Fréjus. Unsere stämmigen Reifen haben die besiedelten Gebiete mitsamt den noblen Karossen hinter sich gelassen, um kleine Bauernhöfe zu finden, die der örtlichen Bevölkerung gehören und deren Familien hier seit Generationen leben. In dieser natürlichen Umgebung hat das Leben dem Sirenengesang der Ferienimmobilien noch nicht nachgegeben. Die hiesigen Mimosen-, Oliven- und Kastanienhaine verbleiben ein viel kostbareres Gut als Euros oder Klimaanlagen.
Fabelhafte Pfade und kleine kurvenreiche Wege machen uns extrem glücklich und führen uns auf die kleine Straße von Bagueiret in Richtung Les Adrets de l'Estérel. Unten im Tal wäre der Pfad wohl eher für Mountainbikes als für unsere Gravel-Räder geeignet, die jetzt zerbrechlichen Schlauchbooten auf rauer See ähneln.
Das Terrain widerstrebt unseren Rädern völlig, sodass wir absteigen müssen, bevor wir noch über die Lenkstange fliegen. Doch dann treffen wir wieder auf weite Pfade, unbefestigte Boulevards, die wie für uns gemacht scheinen. Mit hoher Geschwindigkeit und unseren Gesichtern im Wind wünschen wir uns, dass diese Fahrt nie endet …
Durch das Überqueren der Route nationale 7, verlassen wir das Tanneron-Massiv und gelangen auf das Estérel-Massiv. Seine charakteristischen roten Felsen verleihen uns das Gefühl, in einen der Canyons von Arizona befördert worden zu sein. Dieser Ort wäre das perfekte Setting für John Wayne, egal welche Art Pferd er auch reitet. Hier finden wir uns im gelobten Land des Gravel und des Mountainbikings an der Côte d’Azur wieder. Dieses Gefühl ist magisch. In dieser Umgebung weichen die Mimosen den Wilden Pistazien und Erdbeerbäumen, deren Früchte nur darauf warten, gepflückt zu werden.
40 Kilometer später und nach mehr als 1200 m Anstieg nähern wir uns der Küste. Unsere geschätzten Mimosen sind wieder da. Der Name leitet sich von dem lateinischen Wort „Mimus“ ab, das es bekanntlich auch im deutschen Sprachgebrauch gibt, hier aber als „Mime“ verstanden werden soll. Diese Blumen falten sich zusammen und mimen dabei Tiere und ihre Reizempfindlichkeit.
Sie können nicht anders, als sich von diesen bezaubernden Pflanzen angezogen zu fühlen, was einer Einladung gleichkommt, den Rausch der Côte d'Azur in ihrer ganzen Frühlingspracht zu genießen.
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