Alexia Barrier - nicht nur Segelsportlerin

Früh am Sonntagmorgen ist der Platz in Biot, dem auf einem Hügel gelegenen Dorf an der französischen Riviera bereits sehr belebt. Die Terrasse des Cafés de la Poste badet im Schein des herbstlichen Sonnenlichts. Die Ortsansässigen haben sich hier versammelt, um sich mit Freunden und Nachbarn zu treffen oder um über die Nachrichten zu diskutieren. Alexia geht zwischen den Tischen umher und spricht jede Person mit Namen an und beantwortet eine Fülle von Fragen. Jeder in diesem Dorf kennt sie. Sie ist hier aufgewachsen, und viele von denjenigen, mit denen sie spricht, finden es immer noch etwas seltsam, sie im Fernsehen oder auf einem Foto in der Zeitung zu sehen.

Sie ist gerade von einer langen Zeit auf See zurückgekehrt und hat ihr Rad seit Langem nicht angerührt. An diesem Morgen bricht sie zu einer kleinen Tour über die umgebenden Berge auf, wobei ihr der Umstand zu Gute kommt, dass ein paar Straßen, die sie kennt, gesperrt sind. Auf diese Weise kann sie ihren Hund Nikka neben ihr laufen lassen. Radsport und Yoga sind die beste Kombination für Alexias physische sowie mentale Vorbereitung.

Alexia Barrier - nicht nur Segelsportlerin
Alexia Barrier - nicht nur Segelsportlerin
Alexia Barrier - nicht nur Segelsportlerin
Alexia Barrier - nicht nur Segelsportlerin

Leider begleitet sie ihr Rad, ein Trek Domane, nicht überall hin und wenn sie mit ihm wiedervereint ist, dann nur für kurze Zeit. Das Ziel der kommenden Wochen ist, Rad zu fahren, die milden Temperaturen in der Region während des Winters auszunutzen und Kilometer zu sammeln. Die Strecken, die sie auf dem Fahrrad zurücklegt, nutzen ihr später auf dem Boot. Der Erfolg auf dem Boot hängt von einem Training ab, das nichts auslässt. Deshalb fährt sie am Limit.

In der Welt des Segelns hat sich Alexia Barrier einen Namen gemacht - in einer Welt, in der sich nur wenige Auserwählte die Rekorde teilen. Seitdem sie dem sehr limitierten Kreis von Frauen beigetreten ist, die jemals den Vendée Globe (eine Solo-Regatta rund um die Welt) geschafft haben, hat sich so etwas wie ein Mechanismus in Gang gesetzt, sodass nichts die azurische Seglerin mehr beängstigen kann.

The Famous Project entstand aus dem Wunsch, die Grenzen zu sprengen und eine Herausforderung auf dem nächsten Level auf der Oberfläche des Ozeans anzunehmen. Sie hat dabei einen Rekordversuch im Visier, bei dem sie die Jules Verne Trophy ergattern will. Dies umfasst eine Non-Stopp-Regatta rund um die Welt ohne Hilfe, die sie mit ihrer reinen Frauen-Crew bestreiten will. Das Jules Verne Rennen ist die Welt der Ultimes, gigantische Segelboote, die 32 Meter lang und 23 Meter breit sind. Es ist bereits 25 Jahre her, seitdem ein Frauenname bei der Jules Verne Trophy aufgetaucht ist. Niemals zuvor ist eine reine Frauen-Crew auch nur bis zur Startlinie gekommen.

Alexia Barrier - nicht nur Segelsportlerin
Alexia Barrier - nicht nur Segelsportlerin
Alexia Barrier - nicht nur Segelsportlerin
Alexia Barrier - nicht nur Segelsportlerin

Wenn sie gefragt wird, warum sie eine reine Frauen-Crew zusammengestellt hat, antwortet Alexia, dass sie sich zu Beginn des Projekts gefragt hat, mit wem sie gerne segeln möchte. Da kamen ihr ganz natürlich Namen von Frauen in den Sinn. Auch das Segeln mit gemischten Crews macht ihr Freude, jedoch „gibt es die Notwendigkeit einige Dinge im Sport gehörig zu verändern, denn derzeit sind lediglich 5 % der Regattateilnehmer Frauen. Männer werden für das, was sie tun, ordentlich bezahlt, für Frauen kommt das nicht in Frage. Damit also Sachen in Bewegung kommen, müssen wir beweisen, dass Frauen auf Booten ebenso fähig sind wie Männer. Deswegen werden wir daran arbeiten.“

Alexia nahm im September 2023 an der Lady Liberty Regatta teil, einem Rennen, das vom Manhattan Yacht Club organisiert wird. Diese technisch anspruchsvolle Regatta fand in New York auf dem Hudsonriver mit seinen starken Strömungen statt und wurde mit „J80s“ ausgetragen. „Das sind 7-Meter-Einrumpfboote, die wenig beweglich sind“, kichert Alexia. An diesem internationalen Rennen nahmen nur Frauen-Crews aus allen Ecken der Welt teil. Alexias Crew gewann das Rennen kurz vor den Amerikanerinnen. „Woran ich mich vor allem erinnere, ist das Teilen. Es gab Frauen, für die das Segeln nach wie vor eine Ausnahme ist. So war das vor allem für die Koreanerinnen. Wir waren wie Rock-Stars in diesem Rennen und es bereitet mir Freude zu sehen, welchen Einfluss wir mit diesem Status erlangen. Dem haben wir uns ganz und gar verschrieben. Es war ein wunderschönes menschliches Abenteuer.“

The Famous Project ist somit auf dem richtigen Weg und seine Leiterin scheut keine Mühen, um dem Projekt die Unterstützung zu geben, die es verlangt. Für über ein Jahr segelte die Crew bereits auf der Limosa, einem „MOD70“. Dieser Trimaran ist 21 Meter lang und 17 Meter breit und ein Monster für Normalsterbliche. Für Alexia ist der MOD70 „wie ein Kart … Damit segeln wir an der Grenze des Möglichen und das bei hoher Intensität, ständig am Rande des Kenterns.“, erklärt sie mit einem breiten Grinsen.

Alexia Barrier - nicht nur Segelsportlerin
Alexia Barrier - nicht nur Segelsportlerin
Alexia Barrier - nicht nur Segelsportlerin
Alexia Barrier - nicht nur Segelsportlerin

Limosa gehört zum Projekt und Alexia hat sie letztes Jahr gekauft. Das Boot nahm stolz an der Parade der Superjachten der „Milliardäre“ in der Bucht von Saint-Tropez an der berühmten „Voiles de Saint Tropez“ im vergangenen Oktober teil. Die Crew an Bord hatte vor Kurzem das Rolex Middle Sea Race zum zweiten Mal gewonnen und im Mai zuvor die Regatta „Les Griffes du Lion“, ein Rennen von La Grande Motte bis zur spanischen Grenze. Sie erzielten dabei einen Geschwindigkeitsrekord. Für den Rest des Jahres liegt die Limosa fest vertäut im Mittelmeer, wenn die Crew sie nicht gerade bis an ihre Limits fährt.

Doch das Boot, das für den Rekordversuch vorbereitet wird, befindet sich an der atlantischen Küste in der Bretagne. Dieses Mehrrumpfboot wird von IDEC-Sport ausgeliehen und beschreibt mit seinen 30 Metern Länge noch einmal eine andere Welt. Es ist ein wahres Ungetüm. „Wenn das Boot krängt, befindet man sich in Höhe eines 6-stöckigen Gebäudes“ ruft Alexia mit einem breiten Lächeln aus. Dieses Boot hält derzeit den Jules Verne Trophy Rekord: eine Weltumrundung in 40 Tagen und 23 Stunden. „Das ist die Zeit, die es zu schlagen gilt“, sagt Alexia, die immer noch lächelt. Dieses Vorhaben lässt sie noch nicht mal mit der Wimper zucken. Es macht ihr vielmehr Spaß, während sie sich der Reise, die vor ihr liegt, sehr wohl bewusst ist. Dieses Boot wird momentan renoviert und Anfang 2024 fertig sein. Dann beginnt der ernste Teil …

Fotos von: Christol Robin und Christophe Rousseau